Need for Speed: Most Wanted (PS3) (Electronic Arts) geschrieben von Oliver Salten
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"Need for Speed" von Electronic Arts ist wohl eine der prestigeträchtigsten Rennspielserien, die es für PC oder Konsole gibt. Doch der Lack blättert in letzter Zeit etwas ab. Nach dem letztjährigen Fiasko von "Need for Speed: The Run" hatte EA einiges gut zu machen und holte sich daher mit der hauseigenen Firma Criterion Games einen bekannten und versierten Entwickler ins Boot, der sich bereits für die "Burnout"-Reihe sowie den 2010er-Titel "Need for Speed: Hot Pursuit" verantwortlich zeichnete. Ob dieser Schachzug geglückt ist, soll im Review beleuchtet werden. Aus Alt mach Neu? Zunächst einmal muss allen, denen der Titel irgendwie bekannt vorkommt, gesagt werden: Ja, ihr liegt richtig. Bereits 2005 brachte EA ein gleichnamiges Spiel heraus, das jetzt erschienene "Most Wanted" ist folgerichtig nichts anderes als eine bearbeitete Neuauflage, allerdings mit einigen Änderungen. Die wichtigste davon dürfte sein, dass es jetzt möglich ist, die fiktive Stadt Fairhaven komplett zu befahren, dass also ein Open-World-Szenario implementiert wurde. Dabei bietet Fairhaven alles, was man sich von einer Rennfahrerstadt wünscht: ein Stadtzentrum mit breiten Boulevards, ein Industriegebiet, ein Hafenviertel, ein bergiges Umland und noch einige Schauplätze mehr. Nur eines fehlt: Menschen. Fairhaven muss ein sehr trostloses Pflaster sein, wenn so gar keine Personen auf der Straße zu sehen sind. "Driver: San Francisco" hat im letzten Jahr vorgemacht, dass das auch anders zu handhaben ist. Positiv zu vermerken, ist hingegen der integrierte Tag- und Nachtwechsel. Aber natürlich kann man einwenden, dass es ja ohnehin mehr auf die Wagen ankommt. Nun gut, was die Fahreigenschaften angeht, ist das ganze Spiel, wie es auch sein sollte, voll auf Arcade ausgelegt. Die Wagen laufen wie auf Schienen und sind im Großen und Ganzen gut lenkbar. Allein bei hohen Geschwindigkeiten scheint mir die Lenkung etwas träge und unflexibel zu sein, was aber verzeihlich ist. Dafür ist das Driften mit einem leichten Tippen auf die Bremse völlig problemlos möglich, das hat man woanders schon bedeutend schlechter gesehen. Zur Verfügung stehen zu Beginn des Spiels 31 Wagen, zehn weitere können gegen die besten, die "Most wanted"-Fahrer von Fairhaven, gewonnen werden. Damit erschöpft sich zugleich die völlig unwichtige Story, die sich hinter dem Titel dieses Ablegers der NfS-Serie verbirgt. Allerdings bekommt man nicht sofort alle 31 Vehikel geschenkt, natürlich muss man sie sich erst verdienen, indem man sie sucht, da sie alle in der weitläufigen Stadt verteilt sind. Hinzu kommen eine ganze Reihe von Wechselstellen (drei für jeden Wagen), an denen man in ein anderes Fahrzeug umsteigen kann, Werbeplakate sowie Zäune, die durchbrochen werden wollen, wofür es sogenannte Speedpoints als Belohnung gibt, mit denen man die Most-Wanted-Rennen freischalten kann. Das ist ein wenig wie Ostereiersuchen und nervt mit der Zeit, da man nichts anderes tun kann, als in der Stadt herumzukurven und jede Ecke auszukundschaften. Die Wagenauswahl deckt dabei ein sehr breites Spektrum von Sportwagen über SUVs bis hin zu Straßenautos ab, die auch jeweils unterschiedliche Tempoeigenschaften aufweisen. Ob die 41 lizenzierten Boliden dafür reichen, sei dem individuellen Geschmack überlassen. Ich hätte mir auf jeden Fall ein paar Autos mehr gewünscht. Ein Opfer der KI Jeder gefundene Wagen kann auch getunt werden. Dafür muss der Spieler pro Auto insgesamt fünf Herausforderungen bewältigen, die nicht nur Speedpoints einbringen, sondern auch neue Teile, wie Reifen, Getriebe oder einen Nitro Boost, freischalten können. Je nach Anforderung, sei es Straße oder Gelände, kann der Wagen dann mit diesen Upgrades ausgerüstet werden, um dem Gegner, sei er virtuell oder real, ein Stück weit voraus zu sein. Das funktioniert zur Not sogar während des Fahrens über das "Easydrive"-Menü, das mit den Pfeiltasten ausgewählt werden kann. Zwei Probleme wirft dieses System jedoch auf. Zum einen ist nicht klar ersichtlich, warum sich der Spieler die Mühe machen sollte, die Herausforderungen auch mit einem Ford Focus anzugehen, wenn er sie bereits mit einem Lamborghini oder einem Maserati absolviert hat. Zum anderen müssen, wenn im Einzelspielermodus überhaupt eine Langzeitmotivation vorhanden sein soll, die angebotenen Spielmodi vielseitig und interessant sein. Das ist hier leider nur sehr bedingt der Fall. Zumeist geht es um einfache Rennen von A nach B, Rundkursrennen oder das Erreichen einer bestimmten Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer längeren Strecke. Das ist auf die Dauer nicht sonderlich begeisternd, da sich irgendwie immer alles wiederholt und Abwechslung nicht übermäßig gegeben ist. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch (mal wieder, muss man leider sagen) die KI. Die virtuellen Gegner funktionieren nach dem gewohnten Gummibandeffekt. Hat man sie abgehängt und erleidet dann einen Frontalcrash, der mit einem auf Dauer recht störenden Einspieler unterlegt wird, oder verpasst in der Hektik eine Abzweigung, was durch eine etwas eindeutigere Kennzeichnung des Streckenverlaufs oder eine Navigation mit Sprachausgabe besser geregelt hätte werden können, sind sie schon wieder vorbeigezogen. Hinzu kommt eine übertrieben aggressive Fahrweise seitens der Gegner, die den Spieler gerne einmal oder auch öfter rammen bzw. von hinten auf die Hörner nehmen. Besonders perfide wird es, wenn die Polizei im Spiel ist. Man kann ja gerade noch verzeihen, wenn sie mit eindeutig unterlegenen Wagen den eigenen aufgemotzten Sportschlitten scheinbar mühelos überholen. Ärgerlich wird es aber dann, wenn quasi aus allen Löchern neue Polizeiwagen auftauchen und den Spieler in die Mangel nehmen. Hier wäre etwas mehr Ausgewogenheit angebracht gewesen. Ein Mehrspieler-Erlebnis Ohnehin scheint "Most Wanted" eher für die große Multiplayer-Gemeinde ausgelegt zu sein. Dank Autolog 2.0 werden die Bestleistungen der Freunde bei den einzelnen Radarfallen und den Sprungweiten bei den durchbrochenen Werbetafeln auch im Einzelspielermodus angezeigt. Ein witziges Feature ist dabei, dass auf den Werbetafeln das Bild des jeweils führenden Freundes auftaucht. Der eigentliche Multiplayer-Modus ist auf bis zu acht Spieler ausgelegt. In "Speedlists" können User ihre eigenen fünf Wettbewerbe zusammenstellen, wobei die Auswahl um einiges größer als im Einzelspielermodus ist. So ist es hier beispielsweise auch möglich, Stunt-Herausforderungen oder Team-Rennen zu spielen. Zusätzliche Punkte können auf dem Weg zwischen den einzelnen Events, die man mit seinem Wagen zu absolvieren hat, und auch währenddessen erzielt werden. Wer nämlich als Erster am Ort des Events ist, seinen Gegner effektiv rammt oder einen "Takedown" erzielt, also den anderen Wagen kurz fahrunfähig macht, kann sich über weitere Punkte freuen. Leider wirkt dieses wilde Gewusel zum Teil sehr unübersichtlich und hektisch, so dass kaum Zeit zum Durchatmen bleibt. Ob einem das gefällt, ist letztlich Ansichtssache. Zutiefst ärgerlich bei aller Fokussierung auf mehrere Spieler ist jedoch das Weglassen des Split-Screens für Offline-Duelle. Hier hängt sich allerdings "Most Wanted" nur einem allgemeinen Trend an. Sound und Grafik Soundtechnisch kann man bei "Most Wanted" nicht meckern. Der Soundtrack bietet eine erstklassige Mischung aus modernen Stücken und klassischem Rock. Bedauerlich ist nur, dass nicht mehrere Radiostationen implementiert wurden. Die Motorengeräusche sind, wie man es von der "Need for Speed"-Reihe gewohnt ist, satt und dröhnend. Die vielen kleinen zusätzlichen Sound-Effekte, wie die Geräusche bei Unfällen oder das Hallen beim Durchfahren von Tunneln, runden den Gesamteindruck ab. Auch grafisch macht das Spiel einiges her. Nicht nur die Wagen, auch die Stadtansichten sind sehr detailreich gestaltet und wirken alles in allem sehr plastisch. Auch in der Nahansicht wirkt die Umgebung äußerst realistisch. Einige kleinere Grafikfehler, wie etwa Bäume, die man durchfahren kann, fallen dabei kaum ins Gewicht. Besonders hervorzuheben sind die großartigen Licht- und Schatteneffekte, die man so nicht in jedem Spiel zu sehen bekommt. Fazit Wer ein typisches "Need for Speed"-Spiel sucht, wird von "Most Wanted" nicht enttäuscht werden. Er erhält eine relativ gute Wagenauswahl, ein ordentliches Handling, tolle Grafik und einen super Sound. Angesprochen werden vor allem Multiplayer-Begeisterte, denn die Einzelspielerkampagne leidet etwas unter einer gewissen Eintönigkeit und schlechter KI. Es ist jedoch noch etwas anderes, das mich an diesem Spiel stört, ihm fehlt so gut wie jede Innovation, wie man es von einer Reihe dieses Renommees erwarten könnte. Alles wirkt, als ob man es schon mal woanders gespielt hätte. Am Ende erscheint es ein wenig wie ein aufgeputztes 2005er-"Most Wanted" mit einer größeren Portion "Burnout". Etwas mehr Mut zum Risiko hätte dem Spiel und der ganzen Reihe sehr gut getan. (03.12.2012) |