Sniper Elite (Xbox)

Sniper Elite (Xbox)

(Atari)

geschrieben von Johannes Posch

 

Schon wieder Zweiter Weltkrieg?!

Nun ja, eigentlich hat diese Frage im Bezug auf Sniper Elite ja durchaus seine Berechtigung, denn die Story des Games ist, wie schon bei so vielen anderen Spielen davor, genau in diesem Konflikt angesiedelt. Allerdings haben sich die Entwickler zwei Kleinigkeiten ausgedacht, die ihr Werk trotzdem nicht zu dem hunderttausendsten Medal-of-Honor-Klon werden lassen. Das wäre zum einen die Rolle des Hauptcharakters und zum anderen dessen "Betätigungsfeld". Wie ist das gemeint? Ganz einfach: Anstatt wie bisher einfach als tapferer alliierter Soldat in offenen Gefechten den bösen Nazis in den Allerwertesten zu treten, schlüpft der Spieler in die Rolle eines jungen, in Vorkriegszeiten in Deutschland lebenden, Amerikaners mit Namen Peter Mauer. Dieser wird allerdings nicht einfach eingezogen, in eine Army-Uniform gesteckt und auf französische Strände geschickt, sondern "darf" als Geheimagent in deutscher Uniform hinter den feindlichen Linien aufräumen. Nun liegt der Schluss nahe, dass er es auf strategisch wichtige deutsche Ziele abgesehen hat, nicht? Falsch geraten, denn er soll nicht den Deutschen, sondern den Russen das Leben schwer machen. Das erreicht er dadurch, dass er als Scharfschütze durch die vom Krieg gebeutelten Häuserschluchten robbt und mit Vorsicht und tödlicher Präzision russische Offiziere oder andere wichtige Personen ausschaltet. Somit läutet er die erste Runde in einem Konflikt ein, der eigentlich noch gar nicht begonnen hat: dem Kalten Krieg.

Die Nase in den Dreck, Soldat!

Die Story unterscheidet sich also schon mal gehörig von einer, wie man sie vom hundertfünfundzwanzigsten WW2-Shooter erwarten würde. Doch wie sieht es mit dem Spielgeschehen aus? Immerhin ist eine etwas andere Rollenverteilung in Sachen "Gut und Böse" ja noch lange kein Garant dafür, dass sich das Gameplay drastisch von einem Spiel mit gewohnter Rollenverteilung unterscheidet. Wahrscheinlich käme an dieser Stelle schon die erste Ernüchterung, wenn man in Sniper Elite mit "normalen" Waffen kämpfen würde, doch die Jungs und Mädels bei "Rebellion" gehen einen eigenen Weg und drücken dem geneigten Zocker von der ersten Mission an ein Scharfschützengewehr in die Hand. Zudem rückt man, wie für Scharfschützen üblich, nicht gemeinsam mit einigen Kollegen in die Schlacht, sondern mutterseelenalleine. Das hat zur Folge, dass man gut beraten ist, wenn man seinen Kopf möglichst weit unten behält, um seinen in Prozent angegebenen Tarnfaktor möglichst niedrig zu halten, damit die Gegner den Agenten nicht sofort sehen können. Zumindest wird das dem Spieler zu Beginn so eingebläut. Doch schon nach kurzer Zeit macht sich der Eindruck breit, dass diese Empfehlung nicht dazu dient, dass man möglichst erfolgreich ist, sondern einfach nur dabei hilft, die Spielzeit ordentlich auszudehnen. Vor allem in niedrigeren Schwierigkeitsgraden führt nämlich ein in der Hocke ausgeführter Sturmlauf meistens um einiges schneller zum Erfolg als ein Vorgehen, das Scharfschützen im Zweiten Weltkrieg wohl tatsächlich an den Tag gelegt hätten. Wer allerdings die volle Dröhnung an "Zweiter-Weltkriegs-Scharfschützen-Feeling" abbekommen will, der sollte den Schwierigkeitsgrad unbedingt weiter nach oben schrauben und sich doch an die Tipps der Vorgesetzten halten. Das ist um einiges spannender, hat jedoch zu Folge, dass jede einzelne der insgesamt 28 Missionen ungewöhnlich viel Zeit in Anspruch nimmt und durch das langsame Spieltempo schnell zu einer überwältigenden Langeweile führen kann.

Apropos Schwierigkeitsgrad: In dieser Rubrik ist Rebellion eindeutig dem Leitsatz "klotzen statt kleckern" gefolgt. Sowohl Gegnerintelligenz als auch der ballistische Realismusgrad sind unabhängig voneinander regelbar, was es dem Zocker ermöglicht, sich das Spiel voll seinen Präferenzen entsprechend einzustellen. Vor allem mit Hilfe der Realismus-Settings für die Waffen kann man das Spielgefühl drastisch verändern. Schaltet man sämtliche regulierbaren Werte wie Flugbahnsimulation oder Fadenkreuzwackeln auf die einfachsten Stufen, gestaltet sich das Schießen nämlich schon fast wie eine Moorhuhn-Jagd in 3D. Gegner finden, stehen bleiben, durchs Zielfernrohr blicken, grob den Kopf anvisieren, abdrücken, fertig. Werden aber sämtliche Werte auf höchsten Realismus getrimmt, wird die Liste ein ganzes Stück länger: Gegner finden, per Fernglas die Entfernung bestimmen, auf Windrichtung und -geschwindigkeit achten (werden am Kompass angezeigt) und sie einberechnen, hinlegen und den Pulsschlag sinken lassen, um ruhigere Hände zu kriegen, durchs Zielfernrohr blicken und warten, bis sich das Auge an die neue Sicht angepasst hat, Entfernung berücksichtigen, abdrücken und dann hoffen, dass man sich nicht verkalkuliert hat und die Kugel knapp am Kopf des potenziellen Opfers vorbeisegelt.

Passiert das nämlich, bekommen die Gegner das auf der Stelle mit und verhalten sich angenehm schlau. So springen sie sofort in Deckung, geben eventuellen Kameraden, die ungedeckt herumstehen und erst noch zu einer Versteckmöglichkeit laufen müssen, Deckung oder helfen Verwundeten aus der Gefahrenzone. Das ist nicht nur glaubwürdig, es kreiert auch eine sehr intensive Atmosphäre. Diese wird noch durch einige geskriptete Ereignisse unterstützt und auch verschiedene "Sehenswürdigkeiten" wie das Brandenburger Tor können zusätzlich dazu beitragen, ein intensives Spielgefühl zu vermitteln. Ein intensives Gefühl ganz anderer Art erlebt der Spieler hingegen, wenn er nicht vorbeiballert, sondern dem auserkorenen Opfer die Kugel direkt in die Birne jagen kann. Dann folgt die Kamera nämlich in Zeitlupe der Flugbahn des Projektils und stellt auch den ziemlich blutreichen Treffer exzessiv dar. Das ist zwar sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber wenn man vor diesem Schuss circa eine Viertelstunde durch die Gegend gerobbt ist, nur um diesen einen Gegner ausschalten zu können, ist das doch irgendwie eine nette Befriedigung.

Die Einzelspieler-Kampagne ist aber nicht das Einzige, was die fleißigen Entwickler eingebaut haben, um den Spieler bei der Stange zu halten. Es wurde natürlich auch an die Freunde der Mehrspielerhatz gedacht und somit haben die Programmierer diverse Multiplayer-Modi auf den kleinen Silberling gebannt. Da wären zum einen die altbekannten Klassiker namens Deathmatch und Team-Deathmatch. Hier kann der Spieler mit bis zu sieben Kontrahenten über Xbox Live oder zu zweit an einem Bildschirm schleichen, snipern oder wie Rambo höchstpersönlich ballernd durch die Gegend rennen. Ferner steht noch der sogenannte "Attentat"-Modus zur Auswahl. Dieser erinnert stark an die aus früheren Counter-Strike-Versionen bekannten VIP-Spiele. Der letzte Spieltyp, den die Entwickler parat halten, ist der Coop-Modus. In diesem darf der Spieler sich einen Freund schnappen, ihm einen Controller in die Hand drücken und mit seinem Kumpel gemeinsam erneut in die Einzelspieler-Missionen aufbrechen und unter den Russen ordentlich aufräumen.

Bedienung

Steuerungstechnisch geht "Rebellion" keine weltbewegend neuen Wege. So sollten sich alte Hasen des Shooter-Genres schon in der Standardbelegung sofort wohl und heimisch fühlen. Man sieht das Geschehen aus der 3rd-Person-Ansicht und lenkt seinen Recken wie gewohnt mit dem linken Stick. Der rechte dient zum Umsehen beziehungsweise Zielen, gezoomt wird mit der linken Schultertaste und geschossen mit der rechten. Die restlichen Funktionen wie Haltung verändern oder Fernglas verwenden wurden auf die restlichen Knöpfe verteilt und sind nach einer kurzen Eingewöhnungszeit allesamt gut zu erreichen. Auch prinzipiell lässt sich das Spiel sehr gut bedienen. Der gesteuerte Charakter reagiert direkt und genau auf Richtungsbefehle und man hat zu keiner Zeit das Gefühl, nicht Herr der Lage zu sein.

Grafik

Die von uns getestete Xbox-Version des Spieles hinterlässt grafisch einen ziemlich zweischneidigen Eindruck. Wenn man die Optik des Spieles nämlich gänzlich objektiv betrachtet, gibt es nicht sonderlich viel zu meckern. Die Texturen gehen in Ordnung, die Animationen wurden allesamt gut gestaltet, die Framerate ist jederzeit stabil und weist keinerlei Slowdowns auf und auch die Charaktermodelle sind ganz ansehnlich. Die einzige offensichtliche Schwäche des Games bleiben somit nur die sehr häufig auftretenden Clipping-Fehler. Diese fallen vor allem beim Robben über Flächen auf, aus denen kleinere Objekte ragen. In einem solchen Fall kann es gern passieren, dass eine Stange oder Ähnliches einfach durch die Spielfigur hindurchgeht und aus seinem Rücken heraussteht. Doch warum ist die Grafik von Sniper Elite nun ein zweischneidiges Schwert? Nun ja, ganz einfach dadurch, dass zwar fast nichts wirklich schlecht aussieht, aber eben auch nichts wirklich außerordentlich gut. Das gesamte Spiel hat optisch einfach einen faden Beigeschmack.

Sound

Akustisch wurde nicht viel falsch gemacht. Eine Musikuntermalung sucht man zwar vergebens, aber durch die überzeugend klingenden Schlachtgeräusche, die im Hintergrund ununterbrochen für Stimmung sorgen, vermisst man diese ohnehin zu keinem Zeitpunkt des Spieles. Was aber die Stimmung schnell wieder drücken kann, ist die deutsche Sprachausgabe des Games. Die Sprecher wirken zwar einigermaßen motiviert, doch "glaubhaft" oder gar "gut" sind sicherlich keine Schlagwörter, mit denen man die gesprochenen Samples beschreiben würde. Auch die Waffensounds sind nicht durchweg zufriedenstellend verwirklicht worden. Manche klingen leider eher nach abgewürgten Soft-Guns als nach einem waschechten Scharfschützengewehr.

Fazit

Zu Beginn meines Testes war ich eigentlich ziemlich guter Dinge, was Sniper Elite betrifft. Das mag daran liegen, dass ich Scharfschützen schon immer irgendwie "cool" gefunden habe, oder aber dass das Intro auf ein grandioses und packendes Meisterwerk hoffen lässt, aber wie dem auch sei, erlebte meine Euphorie nach der ersten halben Stunde schnell einen brachialen Sturzflug. Während ich das langsame Umherschleichen in den ersten Minuten noch sehr spannend fand, wurde mir nach den darauffolgenden 30 Minütchen einfach nur langweilig. Zwar wurde ich durch verschiedene Sequenzen immer wieder aus diesem Zustand herausgerissen, doch lange konnte das Spiel mein Interesse eigentlich nie binden. Sollte man sich Sniper Elite also lieber nicht zulegen? Falls man noch Interesse an WW2-Shootern hat, ist man mit Call of Duty 2 mittlerweile mit Sicherheit besser beraten und wenn man Spiele über den besagten Konflikt ohnehin nicht mehr sehen kann, verpasst man absolut nichts. Somit sollten sich meiner Meinung nach nur überzeugte Scharfschützenfans eine Anschaffung ernsthaft überlegen. Aber auch denen würde ich den Rat geben, das Spiel lieber vor dem Kauf Probe zu spielen.

(13.12.2005)

 

Plattform: PC, Xbox  
   
Entwickler: Rebellion
Publisher: Atari
Genre: 3rd Person Shooter
Releasedate: bereits erhältlich
Homepage: Sniper Elite
Preis: 49,90 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

Kommentare zu diesem Artikel

Kommentare:
Der Kommentar wurde gespeichert!
The Captcha element applies the Captcha validation, which uses reCaptcha's anti-bot service to reduce spam submissions.

Sniper Elite

Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)
Sniper Elite (Xbox)