Animaniacs: The Great Edgar Hunt

Animaniacs: The Great Edgar Hunt

(flashpoint AG)

geschrieben von Matthias Lanwehr

 

Chaos und Explosionen, so hat es der Spieler schon immer gern gehabt. Und nur wo ACME draufsteht, ist auch eine ganze Menge cartooniger Schmerz drin. Drei ganz besonders abgefahrene Vertreter der Anarchiefraktion sind unter den Namen Yakko, Wakko und Schwester Dot, kurz, den Animaniacs, bekannt. Hauptsächlich durch die erfolgreiche Zeichentrickserie von Steven Spielberg bekannt geworden, präsentiert Entwickler Ignition das gemeingefährliche Trio nun in ihrer mittlerweile sechsten Versoftung, einem Jump & Run für alle drei aktuellen Konsolen und lässt sie dabei fast die gesamte Filmindustrie abfackeln, Freund und Feind aus der Serie treffen und Pinky und Brain sich wieder die Welt untertan machen wollen. Freizeithüpfer jeden Alters erwartet ein wilder Stilmix quer durch die letzten Jahre Kino und jede Menge Ironie. Und, wem das noch nicht reicht sei gesagt: Den ganzen Spaß gibt es zum Budget-Preis.

Story

Was für Hollywood die Oscars sind, ist für Tinsel Town die jährliche Verleihung des Great Edgar. Und weil so ziemlich niemand auf dem Warner-Gelände vor Aufregung mehr ruhig schlafen kann, engagiert ein sehr böser Mann einen sehr bösen Dieb, der prompt alle 45 Trophäen einsackt. Bei der Flucht im Zeppelin werden cartoonüblich Absturz- und Startknopf vertauscht und das ganze Gefährt rauscht erst mal in den Warner Brothers-Wasserturm, bevor es in der Nacht verschwindet. Serienkenner wissen bereits, was das bedeutet: In den Turm wurden seinerzeit die drei Geschwister gesperrt, weil niemand mehr die Kosten für ihre Zerstörungswut übernehmen wollte. Nun sind sie wieder auf freiem Fuß und machen sich auf die Suche nach den gestohlenen Preisen. Herauszufinden, warum sie das tun, warum alle drei gleichzeitig den Turm verlassen, Yakko seine beiden Geschwister aber erst suchen muss und wer überhaupt hinter dem Diebstahl steckt (und nebenbei der Besitzer eines völlig bescheuerten, blauen Hasen ist), liegt am Spieler. Und damit wäre wieder ein beeindruckendes Beispiel dafür präsentiert, warum Jump & Runs nie für ihre ausgefeilten Storys berühmt werden.

Gameplay

Was in der Zusammenfassung der Geschichte noch recht seltsam klingt, entpuppt sich innerhalb des Spiels schnell als Suchtfaktor. Das eigentliche Spielprinzip steht zwar ab und zu unter dem Motto "besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht", trotzdem funktioniert es: Um die 45 Trophäen zu beschaffen, gilt es, 45 verschiedene Aufgaben zu lösen. Diese reichen vom ganz alltäglichen "erreiche einen bestimmten Punkt" bis zum Besorgen eines Baströckchens, damit Schwester Dot einigen Indianern bei ihrem Regentanz (in diesem Fall ein Limbowettbewerb) helfen kann. Dabei wird immer nur einer der drei Geschwister gespielt, die jeweils unterschiedliche Fähigkeiten haben. Sobald z.B. ein Felsen erklommen werden soll, ist eine bestimmte Tür von Nöten, hinter der die Spielfigur gewechselt werden darf, da nur Schwester Dot in der Lage ist, sich an bestimmten Pfotenabdrücken aufwärts zu bewegen. Ansonsten gibt es nichts Neues im Jump & Run-Land: mit Doppelsprung und Holzhammer verprügelt man so ziemlich alles, was einem gerade über den Weg läuft, ein erfrischend unkompliziertes Spielkonzept eben, das gerade Kinder stärker als so manches neue, komplexe Jump & Run, in dem eine Fülle von Zusatzfunktionen geboten wird, ansprechen sollte. Was zum Teil etwas anstrengend werden kann, ist, dass Gegner nur unter bestimmten Umständen besiegt werden können. Erst wenn eine bestimmte Anzahl von Attacken der Spielverderber vorbei ist, sehen sie für einen Moment ein paar Sterne. Dann darf zwar draufgeschlagen werden, wenn allerdings jedes Mal gewartet werden muss, bis sich ein Kaktus aufgepumpt hat und so seine Stacheln verschießt, wird es beim wiederholten Spielen etwas langweilig.

Verteilt sind die kleinen, goldenen Männchen über insgesamt sechs Filmsets, die, ähnlich wie bei "Spyro", über eine zentrale Welt, in diesem Fall das Warnergelände, zugänglich sind. Diese sind frei begehbar und in vollem 3D mit beweglicher Kamera erstellt worden. Einzig bei bestimmten Actionsequenzen wird diese fixiert und es darf sich durch polygonale 2D-Abschnitte gekloppt werden. Begonnen wird im Wilden Westen, später gesellen sich u.a. Horrorhaus und Wunderland (schlecht gelaunter Drache inklusive) dazu. Ganz alleine sind die Warner-Geschwister bei ihrer Suche allerdings nicht, das beliebte Mäuseduo Pinky & Brain präsentiert fünf Minigames, in denen sie eigentlich mal wieder die Weltherrschaft an sich reißen wollen, bei erfolgreichem Diebstahl von Pferdehufen mit einem Magneten aber auch die ein oder andere Trophäe springen lassen. Die beiden wahnsinnigen Nager sind nur der Anfang einer ganzen Palette von Gastauftritten, die jedem Serienfan das Herz höher schlagen lassen. Die Krankenschwester ist genauso vertreten wie der ständig überforderte Wachmann und der rothaarigen Professor.

Ein ganz besonders unterhaltsames Feature sind die an die Filmthemen angepassten Zwischensequenzen, gelegentlichen Stilbrüche und, gerade für Pop-Kultur-Fans, interessante Attacken auf bekannte Filme. Am Anfang des Spiels ist nur Yakko, der älteste der drei Freaks, spielbar. Sobald er im Wilden Westen seine Schwester, gefesselt auf ein paar Schienen, gefunden hat, steht der Spieler einem ganz klassisches Westernproblem. Der Zug muss unter Zeitdruck angehalten werden, untermalt wird die Szene durch Zwischenfilme von der schreienden Schwester Dot. Diese werden komplett in schwarz-weiß, ohne Ton, dafür mit gelegentlichen Schrifttafeln, abgespielt. Ganz im Stil eines Stummfilms eben. Außerdem wird an bestimmten Stellen das Spiel gerne angehalten und das aktuelle Set eingeblendet, ausgestattet mit Kameras und Tonangeln, in dem sich die Animaniacs über die Szene, die man gerade spielt unterhalten und ein bisschen über die Filmwelt fachsimpeln. Einfach großartig! Wer sich auf den Trip durch die Studios begibt, sollte allerdings einen Punkt beachten: Gespeichert werden darf nur beim Betreten einer Filmwelt oder mit dem Erhalt eines Great Edgars. Und die sind oftmals nicht besonders leicht zu ergattern ...

Grafik

Hier handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert. Große Grafikorgien sollte man nicht erwarten, zu sehr erinnern Welten und Figuren an "MediEvil" oder "Crash Bandicoot" aus PlayStation-Zeiten, nur in höherer Auflösung. Statt Leuchteffekten und Transparenz finden sich recht spartanische Außenlevel mit einigen begehbaren Gebäuden, die alle allerdings etwas mehr Feinarbeit vertragen hätten. Ein paar mehr Details hier, ein paar Animationen dort, schon wäre um einiges mehr los gewesen in der oft statischen Landschaft. Dafür bleiben die Entwickler den Designs der Serie treu. Hauptfiguren, Gaststars und Nebenfiguren wurden so entworfen, dass sie ohne Probleme als TV-Bestandteil durchgehen können. Ebenso wurden Spielfiguren und Gegner sorgfältig und fantasievoll animiert. Ob sich die Animaniacs auf Dächer schwingen oder nach einem tiefen Sturz den Boden eines Abgrundes ganz genau unter die Lupe nehmen, alles passt in die Zeichentrickwelt und ist entsprechend überzogen dargestellt. Zusätzlich werden Spieler mit einigen unüblichen Animationen versorgt: Bei dem Sprung von einer hohen Plattform wird auf Knopfdruck ein Schirmchen aufgespannt, wenn einer der Protagonisten an einem Klippenrand hängt, darf in den Schwanz gekniffen werden, inklusive Hupgeräusch. Im Spiel selbst mögen die Aktionen nicht besonders nützlich sein, Spaß machen sie allerdings allemal.

Sound

Die Hintergrundmusik hält, was ihr Name verspricht: Sie ist unauffällig. Bis auf das Titellied dudeln Melodien dezent im Hintergrund. Zwar besitzen sie bei aller Subtilität eine gute Qualität, den Kauf einer Soundtrack-CD rechtfertigen sie trotzdem nicht. Dafür wird das Filmflair sehr gut eingefangen. Im Wilden Westen beherrschen Banjos und gepfiffene Lieder die Szenerie, im Horrorhaus gibt es Orgeln und Streicher. Sehr schönes Detail ist, dass die Musik je nach Situation andere Nuancen annimmt. Die Melodie selbst ändert sich nie, doch wenn z.B. ein Saloon betreten wird, werden die Cowboy-Gitarren durch ein Piano abgelöst, beim Indianerbesuch wechselt das Piano zu Trommeln. Eine sehr gute Arbeit haben die Sprecher abgeliefert, die ihre Stimme ebenfalls für die Zeichentrickserie zur Verfügung gestellt haben. Einzig einige Nebenfiguren hätten etwas mehr aufdrehen können, zu abgelesen klingen manche Sätze. Spieler, die der englischen Sprache mächtig sind, sollten unbedingt beim Start diese Sprachversion wählen, da die deutsche Übersetzung zum Teil sehr weit hergeholt ist oder einfach nur bescheuert klingt. Zusammen mit der stimmlichen Qualität einiger Nebendarsteller wirken bestimmte Passagen recht seltsam und tun den Ohren ziemlich weh. Wer einmal Yakkos Gespräch mit dem Indianerhäuptling gehört hat, wird verstehen, was gemeint ist.

Fazit

Einen Preis für die schönste Grafik wird "The Great Edgar Hunt" zwar nicht bekommen, allerdings stimmt das Wichtigste, nämlich der Spielspaß. So unkompliziertes und kurzweiliges Gehüpfe gab es seit einiger Zeit nicht mehr. Nichts will trainiert oder aufgepowert werden, es darf ganz stumpf mit Hämmern auf alles Schlechtgelaunte eingeschlagen werden. Und auch wenn Mutti gerne etwas anderes behauptet: Nächtelanges Filmglotzen zahlt sich aus, an jeder Ecke Tinsel Towns erwarten den Spieler nette Seitenhiebe und Anlehnungen an bekannte Filme. Den Jungs und Mädels von Ignition müssen die Köpfe ziemlich geglüht haben, soviel Ideen stecken in Yakkos, Wakkos und Schwester Dots Anarchie-Trip. Dazu kommt ein extrem gutes Preis-Leistungsverhältnis, bei dem auch Zweifler einen Blick riskieren sollten. Zwar wäre für einen Vollpreistitel zu wenig Grafikpower geboten, alles in allem handelt es sich aber um ein wunderbares Hirn-aus-und-Spaß-Spiel, das dem Geist der Serie durchaus gerecht wird. Wer den Animaniacs oder Jump & Runs auch nur das Geringste abgewinnen kann, darf bedenkenlos zugreifen.

(04.08.2005)

Entwickler: Ignition
Publisher: flashpoint AG
Plattform: PlayStation 2, GameCube, X-Box
Genre: Jump and Run
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Animaniacs: The Great Edgar Hunt
Preis: 29,99 Euro
Altersfreigabe: Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §14 JuSchG

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