Sinking Island: Mord im Paradies

Sinking Island: Mord im Paradies

(Daedalic Entertainment)

geschrieben von Carlos Carvalho

 

 
Entwickler: White Birds Productions
Publisher: Daedalic Entertainment
Genre: Adventure
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Sinking Island: Mord im Paradies
Preis: 32,89 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahreng gemäß §14 JuSchG

Benoît Sokal ist nicht nur ein genialer Comiczeichner, der die Welt von Inspektor Canardo, einer Donald-Duck-ähnliche Figur in Humphrey-Bogart–Umhang, zu Papier brachte. Er ist auch ein preisgekrönter Spieledesigner, dessen bekannteste Werke bisher die "Syberia“-Spiele von 2002 und 2004 sind. In allen seinen Games ist die Handschrift des Belgiers dadurch zu erkennen, dass hohes künstlerisches Talent mit hochwertiger Grafik und spannenden Geschichten vermischt wird. Das im letzten Jahr erschienene "Paradise“ (DLH-Review) wurde wegen der relativ verwirrenden Handlung, einiger gravierenden Bugs sowie einer Übersättigung des Adventure-Marktes leider ein Flop. Nichtsdestotrotz bringt Benoît Sokal uns dieses Jahr ein neues Abenteuer, das diverse Mängel des vorigen Titels korrigiert und Gamern viele Stunden Spielzeit verspricht: "Sinking Island: Mord im Paradies“.

Story

Walter Jones ist ein egozentrischer, manipulativer und paranoider Millionär, der sein Vermögen ohne Mitgefühl für seine Konkurrenz oder Familie angehäuft hat. Der alternde Amerikaner verließ vor einigen Jahren seine Lieblingsstadt New York und lebt nun zurückgezogen auf der maledivischen Insel Sagorah im Indischen Ozean. Dort hat er ein enormes Bauwerk errichten lassen, das im "Art Déco“-Stil an die Wolkenkratzer der 20er Jahre von Manhattan erinnert. Noch vor der Fertigstellung des zukünftigen Hotels lädt er seine Enkel ein, ihn dort zu besuchen, da er mit ihnen seine Erbschaft besprechen möchte. Doch kurz nach Ankunft aller noch lebenden Familienmitglieder stirbt Walter Jones. Ein Polizist, Jack Norm, der aufgrund seines Urlaubes sich in der Gegend befindet, wird per Hubschrauber schnellstens zum Tatort hingebracht. Der Polizeichef sagt Norm zwar, er möchte eine einfache Erklärung für diesen Fall haben, wie zum Beispiel einen traurigen Unfall, doch bereits nach wenigen Minuten ist klar, dass die Lösung nicht so simpel sein wird.

Seit dem Mord an Walter Jones hat niemand die Insel verlassen, man kann also sicher sein, dass sich der Verantwortliche noch darauf befinden muss. Da der Millionär vor einigen Wochen aus unbekannten Gründen die gesamte Belegschaft des Hotels gefeuert hat, ist die Anzahl an Verdächtigen sehr klein: drei Enkel inklusive entsprechender Ehegatten, der Anwalt, der Architekt des Bauwerks, ein einheimischer Fischer und seine Tochter. Kratzspuren auf Walter Jones‘ Gesicht und ein gebrochener lackierter Fingernagel deuten auf den Angriff einer Frau. Doch liegt die Wahrheit so weit an der Oberfläche oder ist sie tatsächlich tiefer in der Vergangenheit und den Emotionen aller Anwesenden vergraben?

Um alles noch schlimmer zu machen, weht ein tropischer Sturm über die gesamten Malediven, der Polizist kann also keine Hilfe von außerhalb der Insel erwarten. Nach der ersten Nacht wird auch eines klar: Das Gebäude ist zu schwer und zerstört die Korallen unterhalb der Insel, was dazu führt, dass diese im Indischen Ozean versinkt. Man wird also zusätzlich noch unter Zeitdruck gesetzt, da alle Hinweise auf der Insel beziehungsweise im Gebäude zu finden sind. Man darf aber nicht vergessen, noch einem Fluchtweg zu suchen.

Personal Police Assistant

Damit der Spieler die Übersicht über alles behält, trägt Jack Norm einen "Personal Police Assistant“ mit sich, einen technologisch hoch entwickelten Rechner. Er ist an erster Stelle eine extrem erweiterte Form eines Inventars. Man findet also nicht nur die Gegenstände aufgelistet, die man während des Spiels aufgesammelt hat, sondern auch jede relevante Aussage der Befragungen. Man kann mit diesem Gerät auch Vergleichsmessungen durchführen, zum Beispiel Fingerabdrücke auf einer Waffe und auf dem Notizblock des Polizisten. So kommt man auch ohne Hilfe des Reviers gut voran. Schließlich bekommt man im "Personal Police Assistant“ die nächste logische Aufgabe erteilt, die man mit Aussagen, Vergleichsmessungen und Objekten lösen muss. Ein sehr hilfreicher Balken wird auf diesem Bildschirm eingeblendet, der grafisch darstellt, wie viele der nötigen Antworten für die entsprechende Aufgabe man schon besitzt. Diese letzte Funktion des "Personal Police Assistant“ treibt den Spieler dazu, auf jedes Detail zu achten und nicht den Fehler zu begehen, die bequemste Antwort mit der tatsächlichen Lösung zu verwechseln.

Spannung pur

"Sinking Island: Mord im Paradies" ist eines der wenigen Krimi-Adventures, das so packend ist wie ein guter Agatha-Christie-Roman. Es ist an fast jeder Stelle des Spiels klar ersichtlich, mit wem man als nächstes reden muss oder welcher Raum untersucht werden sollte. Dadurch gibt es wenige Unterbrechungen im Spielfluss und man eilt immer von einem Zimmer zum anderen. Auch die Inhalte der Gespräche und die gefundenen Gegenstände halten immer eine Überraschung bereit, die nicht nur die Hauptfigur neugierig macht. Natürlich muss man aber auch die Räume genau durchsuchen und an einigen Stellen einfach mit allen Anwesenden über eine bestimmte Frage diskutieren, um ein genaues Bild eines besonderen Aspekts zu bekommen. Interessanterweise ist nicht alles unbedingt relevant für das erfolgreiche Beenden des Spiels, sondern trägt vielfach zur Stimmung bei und erhöht so die Glaubwürdigkeit des Spiels.

Eine lebendige Welt

Der Realismus von "Sinking Island: Mord im Paradies“ wird zusätzlich durch einen genauen Tagesrhythmus unterstützt. Die anderen Anwesenden auf der Insel gehen essen oder spazieren, sie kehren in ihre Zimmer zurück und sprechen miteinander oder kümmern sich um private Angelegenheiten. Die Hauptfigur wird zum Beispiel öfters von seiner Frau angerufen, die ganz und gar nicht glücklich ist, dass Jack Norm während ihres gemeinsamen Urlaubes zum Dienst gerufen wurde. Zu bestimmten Zeitpunkten, die nicht von Ereignissen abhängig sind, sondern von der tatsächlichen Spielzeit, wird man hungrig. Jack kehrt dann von alleine ins Hotel zurück und gönnt sich ein Sandwich. Später am Abend wird Jack natürlich auch müde, egal, ob der Spieler alle nötigen Hinweise für den Tag gefunden hat oder nicht.

Da die Insel langsam versinkt, hat man am nächsten Tag keinen Zugang mehr zu einigen Bereichen der Insel oder des Hotels. Man kämpft also nicht nur gegen das Geschick des Mörders, sondern auch gegen die Zeit. Dies führt dazu, dass man das Spiel höchstwahrscheinlich nicht beim ersten Mal erfolgreich beenden wird. Möchte man nicht alles wiederholen, empfiehlt es sich, oft zu speichern, was vom Spiel glücklicherweise unterstützt wird. Automatisch gespeichert wird allerdings nur am Anfang jedes neuen Tages. Kennt man endlich alle Ecken und Geheimnisse, kann man am Anfang des Spiels den "Zeitmodus“ auswählen. Hierbei tickt die Uhr noch schneller: Jack muss sich bei der Ermittlung beeilen und verpasst man ein festgelegtes Ereignis, wird das Spiel beendet. Doch in diesem Modus fühlt sich "Sinking Island: Mord im Paradies" am realistischsten an, denn die Charaktere sind hier weniger starr, sie bleiben kürzer an bestimmten Orten stehen und müssen manchmal erst gefunden werden.

Grafik, Sound und Architektur

Das Aussehen von "Sinking Island: Mord im Paradies" wirkt trotz geringer Systemanforderungen durch die Verwendung vorgerenderter Hintergründe mit wenigen, aber gut ausgewählten Animationen sehr detailreich. Bäume wehen im Wind, Wolken ziehen über den Himmel und Regen verschlechtert die Sicht, während Figuren durch den Bildausschnitt laufen. Dynamisch generierte Spiegelungen auf Pfützen und Schatten integrieren die Bewegungen der Figuren in die Welt. Bei Gesprächen fällt dem Spieler sehr schnell auf, dass je nach Stimmung des Partners verschiedene Gesichtszüge und Körperbewegungen verwendet werden, die sehr flüssig ineinander übergehen.

Die Sprachausgabe im Spiel ist sehr klar und deutlich, man kann aber dennoch Untertitel einschalten. Die Musik ist ruhig und leicht düster komponiert worden, fällt aber während des Spiels kaum auf, sondern passt sich einfach perfekt in die Atmosphäre der dargestellten Welt ein. Nur beim Öffnen des "Personal Police Assistants“ bemerkt man eine Wiederholung, da immer dasselbe Stück abgespielt wird. Die meiste Arbeit wurde aber in die vielen Hintergrundgeräusche gesteckt: Fallende Regentropfen, wehender Wind oder raschelnde Blätter; hier ist wirklich kein Manko zu finden und der Spieler fühlt sich tatsächlich in ein großes, leeres Gebäude mitten im Sturm auf die Malediven versetzt.

Nur wenige Spiele fallen durch die Architektur positiv auf. In den meisten sind Gebäude nichts anderes als graue Kästen mit Öffnungen für Türen und Fenster. "Bioshock“ war dieses Jahr eine der wenigen Ausnahmen und bot Spielern ab 18 Jahren einen echten Genuss für die Augen, trotz des verfallenen Stadiums der dargestellten Unterwasserwelt. Auch positiv erwähnenswert sind die beiden Syberia-Spiele von Sokal selbst. "Sinking Island: Mord im Paradies" fällt in dieser Kategorie ebenso stark auf; das einzige größere Gebäude auf der Insel ist das perfekte Beispiel der Werke der "Art Déco“-Bewegung der 20er und 30er Jahren in Amerika, wie in der realen Welt das Chrysler Building in New York. Sehr hohe Decken, enorme Säle und gigantische Denkmäler von Engeln wirken sehr imposant auf den Zuschauer. Gegenstände im Spiel sind ebenfalls in dem Stil gehalten oder haben passend zur Epoche einen 50er-Jahre-Look. Erwähnenswert ist noch der Rollstuhl des ermordeten Walter Jones, der im "Streamline“-Design mit lang gezogenen Linien sehr aerodynamisch wirkt. Selbst die Schriftzeichen für die Untertitel verwenden den "Art Déco“-Stil und distanzieren den Spieler ebenfalls nicht von der genialen Atmosphäre.

 


Fazit

   "Sinking Island: Mord im Paradies" ist in Aussehen und Ton tatsächlich das Werk eines professionellen Comiczeichners mit außerordentlicher Liebe zum Detail. Einmal in die Atmosphäre eingetaucht, wird man von der sehr spannend gehaltenen Geschichte gefesselt und kann sich nur mit großer Mühe wieder herausreißen, was auf den Einfluss eines genialen Geschichtenerzählers zurückzuführen ist. Sowohl Fans von Krimis als auch Genießer des "Art Déco“-Stils dürfen sich diesen Titel nicht entgehen lassen. (29.10.2007)


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