War on Terror (Deep Silver) geschrieben von Johannes Posch
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Einleitung Dem Spieleredakteur an sich kommen ja im Laufe seiner Karriere so einige Spiele unter. Wirklich gute, die es schaffen, von Anfang bis Ende zu fesseln und zu faszinieren, ganz ordentliche, die als netter Lückenfüller dienen können oder auch solche, die so schlecht sind, dass man einfach davonlaufen will. Aber gemach: "War on Terror" ist keines der letztgenannten Gattung geworden. Es ist noch viel schlimmer! "War on Terror" ist eines dieser Games, das so viel richtig macht und dermaßen gute Ansätze hat, dass es einfach furchtbar schade ist, ja fast schon richtig weh tut, die ganzen kleinen Macken ertragen zu müssen, die es dann doch in die undankbare Mittelmäßigkeit zurückwerfen. Was damit gemeint ist? Lesen Sie selbst! Alles neu? Nein! Die Story des Spieles befördert den Zocker in eine nahe Zukunft, in der die Menschheit im Chaos zu versinken droht. Die "World Forces" (ähnlich der heutigen NATO) werden von hinterhältigen Anschlägen einer zu Beginn nicht näher bekannten Gruppierung heimgesucht, die - wie überraschend - im nahen Osten beheimatet zu sein scheint. Einige Zeit später wird dann bekannt, dass sich diese Vereinigung als "Der Orden" bezeichnet und dem Kampf gegen westliche Kulturen verschrieben hat. Allerdings ist das nicht der einzige Krisenherd, der die Erde regelmäßig erzittern lässt. Auch im Fernen Osten, um genau zu sein an der koreanisch-chinesischen Grenze kommt es zu Ausschreitungen, die sich schnell zu einem groß angelegten und mit aller Härte geführten Krieg weiterentwickeln. Der Spieler darf nacheinander die Rolle aller drei Parteien (World Forces, Orden und China) übernehmen und in unabhängigen Storysträngen versuchen, den jeweiligen Krieg für die momentan aktuelle Partei zu entscheiden. Aber spannend? Ja! Auf seinem Weg durch die einzelnen Handlungsstränge verschlägt es den Spieler in allerhand unterschiedliche Gegenden dieser Erde, die alle neue Settings bieten und optisch eine Menge Abwechslung vorzuweisen haben. So dürfen sich die Weltenbummler unter Ihnen unter anderem darüber freuen, das virtuelle Brandenburger Tor oder den Eifelturm wiederzusehen, während fleißige Nachrichten-Schauer in diversen Missionen im Nahen Osten eventuell das eine oder andere Deja-Vú-Erlebnis haben werden. Wo auch immer man zu Werke geht, weiß das Leveldesign absolut zu überzeugen und fasziniert mit einer ungeheuren Detailfülle und glaubhaften Umgebungen. Weniger überzeugend wirkt hingegen die Art, wie die Story erzählt wird. Diese ist zwar an sich sehr spannend und mit der einen oder anderen Wendung gespickt, doch durch ständig wechselnde Erzähler und nur anfänglich vorhandene Videosequenzen (später bekommt man nur noch vertonte Aneinanderreihungen von Konzeptzeichnungen zu sehen) ist es sehr schwer, der Handlung wirklich folgen zu können. Fertig? Anscheinend nicht Diese fehlende Konsequenz beim Präsentieren der Story ist aber leider nicht die einzige Schwäche, die sich "War on Terror" leistet. Nahezu jeder Aspekt des Spieles wirkt irgendwie unfertig. Nehmen wir zum Beispiel die Einheiten: Hier hatten die Entwickler offensichtlich einige sehr gute Ansätze und schafften es auch, viele davon einzubauen. So besticht das Game mit einer ausreichend großen Auswahl an verschiedenen Einheiten pro spielbarer Fraktion, die jeweils über aktive und passive Fähigkeiten verfügen. Diese dürfen immer zu Beginn einer Mission ausgewählt werden und gewinnen während selbiger an Erfahrung, die Ihnen in darauffolgenden Aufträgen zu Gute kommen kann. Auf Basenbau und die daraus resultierende Einheiten-Produktion im herkömmlichen Sinne hat der ungarische Entwickler Digital Reality verzichtet. Statt derer gibt es auf jeder Karte mehrere Landezonen, die eingenommen werden müssen, um dort mit durch das Erreichen von Missionszielen und Töten von Gegnern gesammelten Punkten, neue Einheiten einfliegen zu lassen. Hat man diese allerdings einmal besetzt, heißt das noch lange nicht, dass das auch so bleiben muss. Der Gegner kann diese jederzeit zurückerobern, was zum Einen Punkte kostet, aber zum Anderen auch den wichtigen Nachschub unterbinden kann. Das Spiel bietet obendrein noch Sondercharaktere, die sich durch diverse Spezialfähigkeiten von der Masse der Truppen abheben. Hier stößt man allerdings schon auf den ersten Knackpunkt, der die Vermutung nahe legt, dass die Entwickler zu wenig Zeit hatten, um das Spiel wirklich fertig zu stellen: das Balancing! Manche Einheiten, allen voran die Scharfschützen und manche der Sondercharaktere, sind einfach viel zu stark. Das kann am besten an erstgenannten Units verdeutlicht werden, da diese über die Fähigkeit verfügen, sich, solange sie nicht feuern, unsichtbar zu machen, eine viel höhere Reich- und Sichtweite vorzuweisen haben als alle anderen Truppen und, vor allem in Gruppen eingesetzt, im Handumdrehen alles klein bekommen, was in irgendeiner Weise feindlich aussieht. Auch Panzer, die wiederum viel zu schwach geraten sind. Deren Sichtweite ist nämlich winzig und aus irgendeinem Grund haben auch mehrere Panzer gegen eine Gruppe von Infanteristen meist keine Chance, da diese sich durch die explodierenden Geschosse der Stahlkolosse meist sehr unbeeindruckt zeigen. Intelligent? Leider auch nicht Der gravierendste Minuspunkt des Spieles offenbart sich allerdings erst, wenn man den Versuch startet, alle verfügbaren Einheiten auszuwählen und sich mit diesen gleichzeitig zu einem gewissen Punkt zu bewegen. Dabei passiert es nämlich nicht nur regelmäßig, dass die Fahrzeuge sich ständig gegenseitig ausweichen müssen und somit meist ziemlich lange brauchen, um überhaupt in Gang zu kommen, sondern auch, dass sie sich einfach irgendwo verkanten und kein Stück mehr vor oder zurück können. Das wird dem Spieler vor allem in der ersten Mission, die gleichzeitig das Tutorial darstellt, schnell zum Verhängnis. Wenn er nämlich versuchen sollte, mit einem der während der Mission erbeuteten Panzer aufzuräumen, könnte die erste Engstelle schnell dafür sorgen, dass er den letzten Spielstand erneut laden muss, um es noch einmal zu versuchen. Der erwähnte Stahlkoloss wird nämlich hundertprozentig in der Einfahrt des zu bewältigenden Weges stecken bleiben und eventuell nachfolgenden Einheiten den Weg versperren. Sollten sich nun alle Ihre restlichen Bodentruppen hinter besagtem Tank befunden haben, stehen Sie vor der lästigen Aufgabe diesen irgendwie aus dem Weg zu kriegen. Dazu muss man ihn entweder irgendwie in die Luft jagen und hoffen, dass die Soldaten sich dann an den Trümmern irgendwie vorbeiquetschen können, oder ihm so lange in alle möglichen Richtungen Bewegungsbefehle geben, bis er sich (vielleicht) endlich aus der Bahn schleppt. Aber nicht nur die Wegfindung, auch die generelle KI der Einheiten zeigt mehr oder weniger drastische Mängel. Sollte der Zocker zum Beispiel mit einem Trupp Scharfschützen losziehen und einen Panzer erspähen, kann er diesen beschießen, lange bevor er Ihre Einheiten überhaupt sieht. So weit, so nachvollziehbar. Doch leider verfolgen die diversen Truppen im Spiel den kindlichen Grundsatz "Was ich nicht sehe, das ist auch nicht da" und lassen sich, ohne auch nur irgendwelche Reaktionen zu zeigen, zu Altmetall verarbeiten. Nur kein Stress ... Die Steuerung an sich unterscheidet sich in keiner Weise von der eines jeden anderen RTS-Games, erfordert durch die oben beschriebenen Mängel in Sachen Wegfindung aber seine ganz eigenen Kniffe. So ist es, um das Steckenbleiben der Einheiten zu vermeiden, am besten, wenn man jedes Fahrzeug extra auswählt und dieses dann einzeln immer ein Stückchen voraus schickt. Nur so ist gewährleistet, dass man nie in die Lage kommt, ein Fahrzeug aufgeben oder gar die Mission abbrechen zu müssen, weil sich irgendein Vehikel wieder mal verkeilt hat. Sonst sollten sich alte Hasen aber sofort wohl fühlen. Absolut alle Befehle sind problemlos mit der Maus auszuführen und gehen dank einer ausreichend gut strukturierten Benutzeroberfläche schon nach kurzer Eingewöhnungszeit gut von der Hand. Die Kamera ist frei dreh- und zoombar und ermöglicht es ebenfalls mit wenigen Mausklicks mitten ins Geschehen abzutauchen. Hast du mal Feuer? Optisch ist War on Terror wirklich toll geworden! Die Einheiten sind irrsinnig detailliert gestaltet, die Texturen sind auch in näheren Zoomstufen für RTS-Verhältnisse ausgesprochen scharf und die exzessiv eingesetzten Effekte sorgen - entsprechende Hardware vorausgesetzt, versteht sich - für Staunen. Zwar trüben des Öfteren einige Clippingfehler, wie durcheinander laufende Einheiten, etwas den Gesamteindruck, aber spätestens sobald es ein Fahrzeug wie einen Panzer oder Hubschrauber nach allen Regeln der Spezialeffekt-Kunst zerreißt, ist das alles vergeben und vergessen. Verwirklicht wird diese Opulenz durch eine hauseigene Engine, die zwar vor allem Prozessor und Grafikkarte so einiges abverlangt, aber es dabei durch recht moderat gehaltene Mindestanforderungen auch Zockern ohne High-End-Rechner ermöglichen sollte, in einen ansehnlichen Genuss des Spieles zu kommen. Schnellkurs! Die akustische Seite des Spieles kann leider mit der grafischen nicht so ganz mithalten. Vor allem die Sprachsamples tragen nämlich maßgeblich dazu bei, dass beim Spieler schnell einmal ein wenig Verwirrung ausbrechen kann. Dieser hat die Möglichkeit, manche abgeschossene gegnerische Einheit zu reparieren und diese fortan gegen seinen Erbauer einzusetzen. Das Problem hieran ist allerdings, dass zum Beispiel Mitglieder der World Forces (die übrigens normalerweise alle Englisch sprechen), sobald sie in einem Fahrzeug des Ordens sitzen, wie durch ein Wunder perfekt arabisch können und fortan sämtliche Ihrer Befehle in dieser Sprache kommentieren. Hat man sich damit allerdings arrangiert, sorgen die kernig krachenden Explosionen sowie die realistisch klingenden Schussgeräusche für gute Stimmung. Die Musikuntermalung hingegen ist angenehm unauffällig und die seltenen Storysequenzen wurden ebenfalls gut vertont. Wie ich schon in der Einleitung habe anklingen lassen, tut es mir um "War on Terror" wirklich leid! Das Spiel besticht zwar durch eine tolle Optik und hat einige gute Ideen in petto, wie die diversen Fähigkeiten der Einheiten oder die Sondercharaktere, wirkt aber an vielen Stellen unfertig und fehlerhaft. Vor allem die absolut miese Wegfindung der Einheiten und das Phänomen, dass Fahrzeuge schon an kleinsten Hindernissen hängen bleiben können, vermag es, einen Großteil des möglichen Spielspaßes in Null-Komma-Nichts zu vernichten. Dabei hätte sich aus den abwechslungsreichen Missionen und den toll gestalteten Levels wirklich was machen lassen. So bleibt nur die Hoffnung auf viele kleine Patches oder einen großen, der das Spiel endgültig fertig stellt. Der erste ist ohnehin schon erschienen, bewirkte bei mir allerdings nur, dass sich das Spiel überhaupt starten ließ - die diversen Gameplay-Schwächen blieben nahezu unangetastet. Bitte, bitte liebe Entwickler: Patcht dieses Spiel! Denn in der momentanen Version kann ich leider keinem mit reinem Gewissen empfehlen, es sich zuzulegen. (10.05.2006)
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