White Night (PC)

Fans des gepflegten Grauens und Schwarz-Weiß-Seher bekommen mit "White Night" ein schauderhaftes Krimi-Abenteuer serviert, das sich durch seine monochrome Optik von anderen Titeln wohltuend abhebt. Für Lesefaule ist der Gruselfaktor sogar noch größer, denn im spukenden Herrenhaus gibt es neben Geistern auch jede Menge Schriftgut. 

Ein bisschen Spuk muss sein

Nahe der amerikanischen Ortschaft Boston ereignet sich im Jahr 1938 ein mysteriöser Unfall. Wie aus dem Nichts erscheint ein junges Mädchen mitten auf der Straße der herannahende Autofahrer kann das Unausweichliche schließlich nicht mehr verhindern. Benommen und mit hinkenden Schritten quält sich der namenlose Hauptprotagonist aus dem Fahrzeugwrack, doch von der Leiche der jungen Frau fehlt jegliche Spur. Es scheint jedoch nicht zufällig zu sein, dass sich dieses Ereignis unmittelbar vor dem scheinbar verlassenen Anwesen der Familie Vesper zugetragen hat, das vom Mondschein erhellt wird. Nach Hilfe suchend, fällt schon nach wenigen Schritten die Tür ins Schloss des Herrenhauses. Eingesperrt in den düsteren Räumlichkeiten und Korridoren, warten gruselige Geheimnisse und einige Überraschungen auf den Spieler, inklusive Begegnungen mit Spukgestalten aus dem Jenseits.

Die Geschichte erstreckt sich über sechs Kapitel mit einer Spielzeit von sieben bis acht Stunden. Voraussetzung für diesen Umfang ist jedoch eine ausgeprägte Vorliebe zum Lesen. Zwar gibt es auch mysteriöse Story-Sequenzen, doch vorrangig sind es neben Fotos interessant geschriebene Tagebucheinträge, Briefe, Hinweise sowie Notizen, die die Handlung vorantreiben. Wer alles oder zumindest möglichst viele Informationen findet und liest, kommt natürlich auch schneller hinter die Geheimnisse. Diese Erzählweise wirkt wie ein gelungenes Puzzle, das immer weiter zusammengefügt wird, bis der stimmungsvolle Epilog erreicht wird, der letztendlich alle bis dahin ungeklärten Fragen beantwortet. Löblich ist die Tatsache, dass das Abenteuer in dieser Hinsicht gut durchdacht wirkt, denn selbst die Geister sind nicht einfach nur irgendwelche gesichtslosen Wesen, sondern werden für den Gruseltrip nachvollziehbar integriert.

Darüber hinaus überrascht das Geschehen gelegentlich mit völlig überraschenden Momenten, wenn die Spielfigur beispielsweise in einer völlig anderen Szenerie landet und Surrealität die Oberhand gewinnt. Diese kurzen Abschnitte verstärken die ohnehin schon unheimliche Atmosphäre ungemein und erinnern stark an die legendäre TV-Serie "Twin Peaks" aus den 1990er-Jahren. Ohnehin setzt "White Night" erfreulicherweise auf atmosphärischen Grusel, anstatt plumper Schocksituationen, und orientiert sich dabei wohltuend am Survival-Horror-Klassiker "Alone in the Dark". Dabei werden die Fantasie angeregt, verstörende Bilder im Kopf und Spannung erzeugt. 

Licht im Dunkel

Das Spielgeschehen kommt ohne Kämpfe und Actioneinlagen aus. Vielmehr stehen die stimmigen, wenngleich relativ einfachen Rätsel im Vordergrund. Zu keinem Zeitpunkt beinhaltet das Inventar mehr als ein oder zwei Objekte wie Schlüssel zum Öffnen von Türen oder Holz für das Entfachen von Feuer an einem Kamin. Sämtliche Knobeleien halten sich konsequent an das Zusammenspiel von Licht und Schatten, beispielsweise werden viele Gegenstände erst bei bestimmten Sichtverhältnissen offen gelegt. Das ist zwar nicht immer hundertprozentig realistisch oder mit klarer Logik zu erklären, für ein Videospiel aber angenehm kurzweilig gelöst. Schließlich bremsen die Rätsel den flüssigen Spielverlauf nicht unnötig aus. 

Immer griffbereit sind Streichhölzer, die sehr großzügig in der Villa verteilt sind und in der allgegenwärtigen Dunkelheit zumindest ein kleines Sichtfeld durch das flackernde Licht bieten. Diese Zünder erweisen sich als essenzielles Spielelement von "White Night", denn ohne Lichtquelle erliegt der Charakter unweigerlich dem Wahnsinn. Dass man jedoch nur zwölf Streichhölzer gleichzeitig mit sich tragen darf, wirkt zuweilen etwas aufgesetzt. Hilfreich sind sie also immer, schließlich sind viele Interaktionsmöglichkeiten in der Dunkelheit nicht gut zu erkennen. Idealerweise hilft elektrisches Licht, das jedoch gar nicht so leicht zu finden ist und nur in den seltensten Fällen auf Anhieb funktioniert. Entweder ist der Stromschalter gut versteckt oder das herumliegende Kabel muss zuerst wieder mit der dafür vorgesehenen Steckdose verbunden werden. Wenn dann endlich die Glühbirne erstrahlt, können auch die Geister besiegt werden, die sich im Schein auflösen und somit versperrte Bereiche freigeben. 

Gespenstische Begegnungen können im wahrsten Sinne des Wortes an den Nerven zehren, weil nämlich schon die kleinste Berührung den Spieler unsanft aus dem Abenteuer reißt und an einigen Stellen unnötig Hektik aufkommt. Glücklicherweise dienen gemütliche Sessel als nützliche Gelegenheit, den Spielstand zu sichern. Automatische Speicherpunkte sind eher die Ausnahme, zwischen den Kapiteln wird aber in jedem Fall ein neuer Wiedereinstiegspunkt angelegt. Zumindest bieten die fest vorgegebenen Perspektiven bis auf wenige Ausnahmen genügend Übersicht, um herumirrende Geister schon früh zu erkennen. Die Steuerung funktioniert mit Tastatur oder Gamepad gut und ist außerdem frei konfigurierbar. 

Monochrom mit kleinen Fehlern

Die große Besonderheit von "White Night" sticht sofort ins Auge, denn optisch hebt sich der Titel stark von der Konkurrenz ab. Vollständig in Schwarz und Weiß gehalten, erinnert das Gesamtbild mit seinen ausgeprägten Kontrasten an Film-Noir-Werke wie beispielsweise "Sin City". Jedenfalls verfehlt das allgegenwärtige Stilmittel seine Wirkung nicht, sondern schafft mit seinem gelungenen Licht- und Schattenspiel und interessant gestalteten Schauplätzen eine bedrohliche Kulisse. Ganz perfekt ist die technische Fassade jedoch nicht, denn immer wieder trüben unschönes Kantenflimmer und unruhige Schattendarstellung das atmosphärische Gesamtbild. Die Ladezeiten könnten zudem gerne etwas kürzer sein. 

Dafür gibt es beim Sound wenig Grund zum Klagen. Sämtliche Texte sind hervorragend und stimmungsvoll in deutscher Sprache verfügbar. Die Vertonung jedoch gibt es lediglich auf Englisch oder Französisch, wenn die tiefe Erzählstimme über die Geschehnisse sinniert. Eine spärliche Geräuschkulisse verfehlt ihre Wirkung nicht, wenn hörenswerte Effekte wie prasselnder Regen oder ein leichter Luftzug das Gebälk des Dachbodens zu einem akustischen Leckerbissen machen. Fast ebenso dezent wirkt die Hintergrundmusik; unter anderem mit Elementen von Jazz und Klavier geschwängert, unterstreicht sie das unheilvolle Szenario. 


Fazit

"White Night" hat mich im positiven Sinne überrascht. Das stimmungsvolle Abenteuer kommt ohne Kämpfe und Action aus, setzt stattdessen auf ein Erlebnis, das sich wie ein spielbares, spannendes Buch anfühlt. Da stört es auch kaum, dass die Rätsel im Grunde genommen relativ simpel sind, da sie sich passend ins Spielgeschehen einfügen. Gruselfans können eine Kerze anzünden, das Zimmer abdunkeln und das Spiel in vollen Zügen genießen. (Christian Schmitz)


Kommentare:
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2015-03-20 23:01:20... - Stefan

ččč


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