Chaos auf Deponia

Chaos auf Deponia

(Daedalic Entertainment)

geschrieben von Fabian Reiff

 

     
 

Müll ... Müll ... noch mehr Müll

So lässt sich Deponia am besten beschreiben. Die Bewohner Deponias haben sich mit diesem Umstand abgefunden. Wirklich alle? Nein, alle außer Rufus, dem Helden des ersten Teils der "Deponia" Trilogie. Er versucht noch immer nach Elysium zu gelangen, jener mysteriösen Himmelsstadt, in der das Leben viel besser als auf Deponia selbst sein soll. Eigentlich ist es überall schöner als auf Deponia. Dies ist der perfekte Auftakt für eine urkomische Odyssee quer über Deponia, die beim Spieler ein wahres Lachfeuerwerk entzündet, mit schrägen Gestalten, Widerstandsanführern mit Sprachfehlern, Torpedodelfinen und Toni, Rufus‘ Ex-Freundin. Was könnte den Umstand also passender als der Titel selbst beschreiben: "Chaos auf Deponia"?

Rückblick auf "Deponia"

Wer erst jetzt auf das Spiel "Chaos auf Deponia" aufmerksam geworden ist, daher den Vorgänger "Deponia" nicht kennt, erhält nun einen kurzen Rückblick auf die Geschichte bis hierhin. Rufus, ein junger, dynamischer, aber leider auch egoistischer Mensch ist der Held oder besser Antiheld des Spiels "Deponia". Er träumt davon, den gleichnamigen Planeten zu verlassen, da dieser total vermüllt ist. Sein Ziel ist, nach Elysium zu gelangen, der mysteriösen Stadt im Himmel, in der alles besser als auf Deponia sein soll. Trotz etlicher Fehl- und Rückschläge hat der Held immer noch nicht aufgegeben, sein Ziel zu verfolgen - sehr zum Leidwesen seiner "Freunde". Rufus ist so davon überzeugt, dass er es nach Elysium schaffen wird, dass er nicht nur seine Freundin Toni, sondern auch seinen Bekannten Wenzel verliert. Keiner glaubt daran, dass Rufus es schaffen könnte, zur Himmelstadt zu kommen. Sein letzter Versuch, sich nach Elysium zu begeben, scheint von Erfolg gekrönt zu sein, denn es gelingt ihm, sich auf einen Organon-Kreuzer zu schießen. Der Organon ist eine streng hierarchisch gegliederte Organisation aus Elysium, die im Auftrag des elysianischen Ältestenrats prüfen soll, ob es Leben auf Deponia gibt. Allerdings verfolgen einige Mitglieder jener Organisation ein eigenes Ziel, welches den Bewohnern Deponias noch gefährlich werden soll. Davon ahnen zu diesem Zeitpunkt aber weder Rufus noch die Menschen des Planeten etwas. Auf dem Organon-Kreuzer angekommen, wird Rufus Zeuge, wie drei Männer der Organisation ein Mädchen bedrängen. Wagemutig schreitet er ein. Allerdings drückt er prompt den falschen Knopf und katapultiert so die mysteriöse Frau vom Kreuzer direkt nach Deponia.

Nachdem Rufus ebenfalls unsanft vom Kreuzer befördert wurde, macht er sich auf die Suche nach dem Mädchen, das vom Himmel fiel. Er findet sie auch recht schnell, muss aber feststellen, dass sie den Sturz nicht ganz unbeschadet überstanden hat. In einem der kurzen Momente, in dem sie ihr volles Bewusstsein wiedererlangt hat, bittet Goal, so heißt sie, Rufus, ihren Verlobten Cletus zu finden. Goal und Cletus befanden sich auf der Mission, auf Deponia nach Leben zu suchen. Sie fragt unseren Helden, ob er Kontakt mit Cletus aufnehmen kann, um diesen über ihren Verbleib und was sie über Deponia herausgefunden hat, zu informieren. Rufus willigt ein und vereinbart mit Goals Verlobten ein Treffen. Im Gespräch mit Cletus erfährt Rufus die ganze Wahrheit. Cletus plant mithilfe des Organons die Sprengung Deponias, obwohl dort Leute leben. Cletus will dem elysianischen Ältestenrat mitteilen, dass trotz sorgfältiger Prüfung keinerlei Leben auf Deponia existiert und so die Vernichtung des Planeten herbeiführen. Rufus kann nicht glauben, was er hört. Allerdings kann Cletus nur in einem Notboot nach Elysium zurückkehren. Dazu benötigt er die Geheimcodes aus Goals Neuralchip (auch Datasette genannt). Dieser ist aber durch den Sturz schwer beschädigt worden. Rufus handelt mit Cletus einen Deal aus. Er besorgt Cletus die Notfallcodes, wofür dieser im Gegenzug Rufus nach Elysium mitnimmt. Es kommt zum finalen Showdown, in dessen Verlauf Rufus über Cletus‘ Cleverness stolpert und nicht nur seine Chance, nach Elysium zu kommen, verliert, sondern auch Goal, die er sehr gemocht hat. So bleibt Rufus auf Deponia zurück, während sich das Notboot langsam auf Elysium zubewegt.

Ich brauche kein Tutorial

Diejenigen, die den ersten Teil der "Deponia"-Trilogie gespielt haben oder bereits "alte Hasen" in Sachen "Point and Click" Adventures sind, wird das Tutorial nichts Neues mehr beibringen können, denn es erklärt die Handhabung des Cursors sowie des Inventars und wie man Objekte anschaut und mit Charakteren interagiert. Allerdings lohnt es sich allemal, denn die Dialoge sind gleichermaßen unterhaltsam wie lehrreich. Allerdings ähnelt das Tutorial wie ein Ei dem anderen, dem aus dem ersten Teil. Es macht aber auch Spaß, Rufus dabei zuzusehen, wie er immer wieder von der Presse zerdrückt wird. In dem Tutorial geht es nämlich darum, eine defekte Schrottpresse zu reparieren. Rufus, wie immer von sich überzeugt, repariert diese, steht dabei aber unter der Presse selbst, als er den Einschaltknopf betätigt. So wird er von ihr komplett zerdrückt. Danach beginnt das eigentliche Spiel.

Prolog ins Abenteuer

Nachdem der Spieler das Tutorial erfolgreich gemeistert hat, geht die Geschichte um den Helden Rufus in die nächste Runde. Der Protagonist erklärt Goal, dem Mädchen, das vom Himmel fiel, wie er es geschafft hat, das Notboot nach Elysium zu entern. Und es wäre nicht Rufus, wenn dabei nicht jede Menge lustiger Sachen passiert wären. Hier beginnt die Geschichte.

Um überhaupt auf das Notboot zu gelangen, benötigte der Held einen Hammer. Um diesen doch recht trivialen Gegenstand zu bekommen, fragte der Protagonist seinen guten Freund Doc, ob er ihm einen borgen könne. Dieser half bereitwillig und gab Rufus einen Hinweis auf den Fundort. Bevor Rufus den Hammer endlich in Händen hielt, brachte er nicht nur den Wellensittich von Doc ziemlich in die Bredouille, nein, er zündete auch noch sein Heim an und schickte ihn am Ende fast noch ins Jenseits. Besonders witzig während dieser Passage ist die Meinung von Docs Ehefrau. Sie ist sich nicht sicher, was sie von Rufus halten soll, während ihr Mann ihr ständig versichert, dass der Held kein schlechter Mensch sei und sich geändert habe. Doc kennt Rufus von früher und weiß, dass er egoistisch und selbstverliebt war. Da er aber nun Goal kennengelernt hat, ist Doc der Überzeugung, dass er seine schlechten Eigenschaften aufgrund von Goals Einfluss, abgelegt hat. Nachdem Docs Frau nun überzeugt war, dass Rufus wirklich ein guter Mensch ist, machte dieser den Eindruck gekonnt zunichte. "Daedalic" schafft es also schon am Anfang dem Spieler, ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, indem sie die Anfangsszene schon mit "Slapstick" spicken.

Goal³

Nachdem Rufus seine Geschichte, wie er ins Notboot gekommen war, erzählt hat, erscheint Cletus, Goals Verlobter und geheimer Mitarbeiter des Organons. Dieser ist allerdings dagegen, dass der Held mit nach Elysium kommt, weil es für Goal besser sei, wenn sie Rufus nie mehr wiedersehe. Nach einem kurzen Gespräch sehen Goal und Rufus Deponia sehr schnell wieder. Er hat es schon wieder geschafft, sie "vom Himmel fallen zu lassen", indem er, schusselig wie er ist, wieder den falschen Knopf drückt. Im Zuge dessen wird ihr Neuralchip erneut beschädigt. Doc hat Rufus zwar immer noch nicht verziehen, sein Heim abgefackelt zu haben, allerdings will er ihm um Goals willen helfen. Er trägt dem Protagonisten auf, neue Datasetten, auf denen Goals Persönlichkeit gespeichert werden soll, zu kaufen und schärft ihm dabei ein, bloß nicht die billigen zu nehmen, da diese unvorhergesehene Nebenwirkungen nach sich ziehen können. Aber Rufus ist eben Rufus und so bringt unser Held die Billigen mit, weil es dazu gratis einen Lolli gibt.

Die Operation, in der Goals alter Neuralchip durch den neuen ersetzt wird, verläuft am Anfang auch ganz gut. Nur wird Goal aufgrund der minderen Qualität der Datasetten in drei Wesenszüge aufgespalten, die alle überredet werden müssen, zurück in Docs Labor zu gehen, damit die Operation noch einmal durchgeführt wird, um so Goals Persönlichkeiten wieder auf einer Datasette zu vereinen. Rufus muss nun mit seinem ganzen Charme aufwarten, um "Lady-Goal", "Krawall-Goal" und "Baby-Goal" zu beeindrucken. Dies ist gar nicht so einfach. "Lady-Goal" kann so gar nichts an Deponia finden, rümpft ständig die Nase und möchte am liebsten wieder nach Hause. An sie kommt Rufus am ehesten über Stil in Form eines romantischen Abendessens heran. "Krawall-Goal" ist, wie der Name schon sagt, auf Krawall gebürstet und lehnt daher einen guten Kampf nicht ab. So muss Rufus sie im Schnabeltier-Kampf besiegen. "Baby-Goal" ist die Naivität in Person. Sie möchte sich dem lokalen Widerstand gegen den Organon anschließen und so den Menschen auf Deponia helfen.

Zu allem Überfluss hat auch eine geheimnisvolle Verbrecherbande ihre Finger im Spiel. Doch bleibt dies nicht das einzige Problem: Rufus muss neben Goal auch noch Deponia selbst retten, denn der elysianische Ältestenrat hat Deponia zur Sprengung freigegeben. Nachdem unser Held also Goals Persönlichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes "in der Tasche" hat, muss er mit ihr nur noch den "unorganisierten Widerstand" organisieren um so einen der Sprengtürme, die überall auf Deponia verteilt stehen, zu besetzen.

Die Handlung wird kohärent erzählt und vorangebracht. Man hat zu keiner Zeit das Gefühl, nicht mehr zu wissen, worum es bei Rufus' Aufgabe geht. Am Anfang ist der Verlauf der Story und der Gebiete recht linear. Gegen Mitte des Spiels kann der Spieler frei entscheiden, welche Gebiete er zuerst ansteuern möchte. Während des Spielens fiebert man mit dem Helden mit. Fragen wie "Wird Rufus es diesmal schaffen, nach Elysium zu kommen?" oder "Ist Rufus wirklich immer noch der Egoist, der er im ersten Teil war?", werden im Finale aufgelöst, so dass der rote Faden, der sich konstant durch das Spiel zieht, hier sinnig zu einem Ende geführt wird.

Sound - Rätsel - Grafik

Das Spiel "Chaos auf Deponia" hat die gleiche liebevoll gestaltete Grafik wie schon der Vorgänger. Die hübsch inszenierten Hintergründe sind sehr detailliert und mit viel Liebe zum Detail erstellt worden. Sound und Musik sind stimmig und überzeugend: Jeder Akt wird musikalisch eingeleitet. Dabei geht "Daedalic" auch auf das in den Augen vieler Fans unbefriedigende Ende des ersten Teils ein und verspricht ein "Happy End" für den zweiten Teil. Genauso gut gelungen sind die Gesangseinlagen des im schwimmenden Schwarzmarkt auftauchenden Gondolieres, der je nachdem, welches Notenblatt man ihm gibt, einen anderen Song zum Besten gibt. Vom "Paarungslied der Schrottkrabben" bis hin zum "Lustigen Lümmeltütenlied" ist alles dabei, was das Herz eines Deponianers begehrt.

Die Rätsel sind recht anspruchsvoll. Sie umfassen einfache Kombinationsrätsel, bis hin zu ganzen Rätselketten, um an einen speziellen Gegenstand zu kommen. Darüber hinaus gibt es noch Minispiele, die aber ohne Probleme übersprungen werden können, so dass, wenn man einmal nicht weiterkommt, dennoch weitergespielt werden kann. Jemand, der fast nur Point&Click-Adventures spielt, wird vielleicht etwas unterfordert sein, da die Rätsel meist aus Kombination verschiedener Gegenstände bestehen: entweder im Inventar oder mit der Umgebung oder aber aus Rätselketten, indem etwa Schlaftabletten auf die Köder eines Fischers angewandt werden, damit dieser Rufus einen betäubten Tigerfisch fängt. Aber das ist nicht schlimm, denn es wird definitiv genug Freude aufkommen, Rufus bei seinen Versuchen, endlich nach Elysium zu kommen, zu begleiten.

Die Tatsache, dass man selbst an Rufus‘ Weiterkommen beteiligt ist und regelmäßig sieht, wie er auf die Nase fällt oder sich ungeschickt anstellt, trägt zur allgemeinen Erheiterung der Spieler bei. Ebenfalls positiv ist die Dauer des Spiels, die deutlich länger als die des ersten Teils ausfällt. Je nachdem, wie lange man braucht, um von Abschnitt zu Abschnitt zu kommen, sieht man nach ca.10 bis 15 Stunden den Abspann.

"Chaos auf Deponia" knüpft nahtlos an die Geschichte von "Deponia" an und erzählt diese auf "Daedalic" typische Weise, also mit viel Humor, urkomischen Dialogen und an Slapstick erinnernde Missgeschicke weiter. Als Beispiel für Slapstick sei hier Rufus‘ Versuch, einen Garten zu betreten, genannt, der aber von einer Harke blockiert ist. Egal, was der Spieler auch versucht, Rufus läuft immer wieder auf die Harke und schlägt sie sich vor den Kopf.

Die Dialoge sowie die Situationskomik sind allererster Güte, Rätsel und Minispiele sind durchdacht und stellenweise recht fordernd, aber niemals unfair. Wer also so richtig herzhaft lachen will und Rufus dabei begleiten möchte, Deponia zu verlassen, kann hier bedenkenlos zugreifen. "Chaos auf Deponia" ist mein persönlicher Herbsthit 2012: aufgrund des frischen Humors, der interessanten Charaktere, der tolle Geschichte, der Musik, der Soundkulisse und der sehr witzig geführten Dialoge. Ich freue mich schon auf den letzten Teil der Trilogie.

 

(30.11.12)

 

Kommentare:
Der Kommentar wurde gespeichert!
The Captcha element applies the Captcha validation, which uses reCaptcha's anti-bot service to reduce spam submissions.

Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia
Chaos auf Deponia