Papo & Yo

Papo & Yo (PC)

(Minority Media)

geschrieben von Daniel Liebeherr

 

 
 

Freundliche Monster sind in Videospielen nichts Neues mehr. Die gibt es bereits seit den Neunzigern (zum Beispiel in "A Boy and His Blob"). Sie sind mit Kindern befreundet und unterstützen diese auf ihrer Reise durch die Videospielwelt. Es bleibt dem Spieler selbst überlassen, darüber zu entscheiden, ob diese existieren oder nur in den Köpfen der kleinen Protagonisten Gestalt angenommen haben. "Papo & Yo" (Papa und Ich) ist da anders. Der Hauptcharakter Quico, ein kleiner Junge, hat so seine lieben Probleme mit seinem namenlosen Monster.

 

Story

Viel erfährt man zu Beginn des Spiels nicht. "Papo & Yo" ist kein gewöhnliches Rätsel-Adventure wie "Portal". Gleich zu Beginn wird klar, dass dieses Spiel Tiefgang besitzt. Ein neunjähriger Junge versteckt sich vor einem Monster, von dem man zuerst nur den Schatten zu sehen bekommt. Er traut sich kaum, zu atmen. Eine Spirale erscheint an der Wand, Quico kann durch diese hindurch springen und somit dem Monster entfliehen. Er findet sich in einer südamerikanischen Favela wieder. Ein etwa gleichaltriges indianisch bemaltes Mädchen ist das einzig lebendige Wesen in diesem Irrgarten aus Wellblechhütten, herumliegendem Schrott und allgemeinem Verfall. Das Mädchen animiert den Spieler ihr zu folgen, bietet jedoch keine weitere Unterstützung. Stattdessen schubst sie Quico von einer Anhöhe herab, als er sie fast eingeholt hat. Sie macht ihm klar, dass er verflucht sei und sie nichts mit ihm zu tun haben möchte. Einzige Hilfe bietet ein japanisch anmutender Spielzeugroboter namens Lula, welcher den Protagonisten durch ihren Raketenantrieb höher springen lässt, sowie weit entfernte Schalter betätigen kann.

Das Monster begegnet Quico im Verlauf der Geschichte wieder und stellt sich, sehr zur Verwunderung des Spielers, als harmlos heraus. Es hilft zwar nicht, tut aber auch nichts. Mit Kokosnüssen lässt es sich in bestimmte Zonen führen, welche neue Ebenen freischalten. Hat es genug gefressen, legt es sich wieder schlafen. Der Bauch des Monsters wird dann zu einem Trampolin und der Spieler kann in zuvor unerreichbare Höhen erspringen. Leider mag der monströse Begleiter grüne Giftfrösche noch lieber als süßes Obst. Frisst "Monster" diese, macht es seinem Namen alle Ehre. Es verwandelt sich in ein flammenrotes Ungeheuer und geht auf den Jungen los. Nun ist Flucht angesagt, solange bis eine bestimmte Kokosnussart gefunden wird, deren Verzehr das Monster wieder handzahm werden lässt. Das unerreichbare Mädchen wird für Quico schließlich erreichbar. Sie hat Mitleid mit ihm und entschließt sich, zu helfen. Ein Schamane soll das Monster von seinen Wutanfällen befreien. Nun beginnt die Odyssee erst richtig.

 

Gameplay

Die meiste Zeit verbringt der Spieler damit, magische Schalter zu finden und diese zu aktivieren, so dass sich Häuser, Kisten und Mauern in Bewegung setzen, damit Quico zum Ausgang gelangt. Die Umgebung kann dazu auf allerlei Art und Weise manipuliert werden. Ganze Hütten können durch das symbolische Anheben und Verschieben von Holzkisten bewegt werden, was den traumhaften Charakter des Spiels deutlich spürbar macht. Die erwähnten Kokosnüsse müssen dem Monster verabreicht werden, damit es einen bestimmten Platz in der Spielwelt einnimmt, wodurch ein Weiterkommen des Protagonisten erst ermöglicht wird.

Die Giftfrösche sind fast so groß wie der Protagonist selbst. Sie lassen sich jedoch einfangen und dann an die Wand "klatschen", falls das Monster sie nicht erreichen und sich wieder den Nüssen zuwenden soll. Dabei kommt es auf entsprechendes Timing an. "Papo & Yo" erfindet das Genre nicht neu. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel steigt nur moderat an. Insgesamt erscheinen diese zu leicht, bieten jedoch genug Abwechslung, ohne dass das Spiel in Langeweile versinkt. Der weitaus interessantere Aspekt ist die Geschichte und ihr Hintergrund mit realem Bezug.

 

Hintergrund

"Für meine Mutter, Brüder und Schwestern, mit denen ich das Monster in meinem Vater überlebt habe" wird vor dem eigentlichen Spielbeginn eingeblendet. Damit wird klar, dass dieses von Vander Caballero (am ehesten bekannt durch seine Mitarbeit an EAs "Army of Two") geschaffene kleine Kunstwerk mehr ist als ein gewöhnliches Videospiel. Der Erschaffer arbeitet hier seine Vergangenheit auf. Das Monster ist der eigene Vater, der durch seine Drogensucht dem jungen Caballero das Leben zur Hölle auf Erden gemacht haben muss. Dabei geht "Papo & Yo" jedoch über eine einfache Abrechnung mit dem Vater hinaus.

Caballero ist nicht Kafka und er schreibt keinen "Brief an den Vater". Vielmehr taucht er den Spieler in ein emotionales Wechselbad ein. Die Gefühle des Jungen für das Monster werden die eigenen. Sie schwanken zwischen Mitleid, Angst, Hass, Ekel und dann doch wieder der Hoffnung, helfen zu können. Das Monster selbst kann nützlich und in seiner plumpen Bud-Spencer-Art fast schon liebenswert sein, bis es durch die Frösche abermals aggressiv wird und eine Tracht Prügel der nächsten folgt, schafft man es nicht schnell genug auf eine Anhöhe. Sterben kann man dabei nicht, doch die Schläge tun sichtbar weh. Die Welt des Spiels ähnelt dem ambivalenten Monster. Sie wirkt romantisch verfallen, bietet großflächige Graffitis und scheint in eine Dauerdämmerung verfallen zu sein. Ihr Hintergrund ist jedoch ein realer. Diese Favelas gibt es tatsächlich und wohl niemand möchte freiwillig in einer von ihnen leben.

Ein kleiner Spielzeugroboter ist der beste Freund dieses Jungen. Die einzig potenzielle (menschliche) Spielgefährtin verachtet ihn wegen des Problemvaters. Das Indio-Mädchen bietet zwar schließlich Hilfe an, doch sie bleibt selbst nach ihrem Stimmungswandel auf Abstand. Die Einsamkeit des Jungen, alleingelassen mit seinen Problemen, ist auch vor dem Monitor gut spürbar. Zwischensequenzen erweitern die Bandbreite der allgemeinen Verwirrung. In ihnen schlafwandelt der Protagonist durch Szenen seiner Erinnerung: Der Vater, in seiner wahren, gänzlich unmonströsen Gestalt, stellt sich als Gangster heraus, der mit der Waffe in der Hand vor einem Erschossenen steht.

 

Technik

Verwendet wird die Unreal-Engine 3.0. Die Grafikqualität ist dabei mehrstufig skalierbar und verfehlt ihre Wirkung nicht. Insbesondere die Licht- und Schatteneffekte sind sehenswert. Dank der verwendeten Engine werden die Gesichter detailliert gerendert und verraten jede Emotion der Protagonisten. Die farblich ansprechende Spielwelt ist grafisch mal mehr und mal weniger intensiv gestaltet, bietet dem Betrachter jedoch insgesamt ein hohes Detail-Level.

   

 


Fazit

Wer besondere kleine Indie-Spiele mag, die nicht zum einhundertsten Male die "Mario"-Serie klonen, oder einfach nur durch schwierig gestaltete Levels Stunden schreiben wollen, wird diese kleine Spiel-Perle lieben. Die surreale Welt, die hier geschaffen wurde, lässt den Spieler stundenlang eintauchen. Ein absoluter Kauftipp zum Budgetpreis!

(21.05.2013)


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