Titan Souls (PC)

Vorsichtig betreten wir einen düsteren Höhleneingang und finden uns schon bald in einem schwach ausgeleuchteten Raum wieder, auf dessen Boden ein Schachbrettmuster angeordnet ist. Im Zentrum des Raumes befindet sich ein großer Kubus mit einem geschlossenen Augenlid, der ohne Regung in sich zu ruhen scheint. Doch nachdem wir den Kubus mit einem Pfeil beschießen, öffnet sich plötzlich das Auge und der Kubus poltert bedrohlich über das Schachbrettmuster. Bevor wir es richtig begreifen können, hat er uns auch schon unter sich begraben und den Kampf frühzeitig beendet. Doch keine Sorge: Das virtuelle Scheitern wird in „Titan Souls“ großgeschrieben. Selten lagen frustrierende und spannende Spielmomente so eng beieinander wie in dem neuesten Indie-Abenteuer von Acid Nerve. Welche Gründe dafür verantwortlich sind, klärt unser Testbericht.

 

David gegen Goliath

 

Auf den ersten Blick erinnert „Titan Souls“ optisch an 16-Bit-Rollenspielklassiker wie „A Legend of Zelda“ und entfaltet durch seinen Grafikstil einen herrlichen Retrocharme. Als namenloser Held streifen wir aus der Vogelperspektive durch unterschiedliche Landschaftsabschnitte, die von winterlichen Gebieten über grüne Wälder bis hin zu feurigen Katakomben all das bieten, was der gängige Rollenspieler erwartet. Das, was „Titan Souls“ jedoch frappierend von anderen  Genrevertretern unterscheidet, sind das drastisch reduzierte Gameplay und der Verzicht auf solche Kernelemente wie Items, Quests und Erfahrungspunkte. Ebenso wirkt der Pfad unseres Helden für die gesamte Spielzeit wie ausgestorben. Die einzigen Gegner, denen wir im Spiel begegnen, sind Titanen, welche in insgesamt 16 Höhlen auf uns warten. Diese Bosskämpfe sind das Herzstück von „Titan Souls“. Das liegt in erster Linie daran, dass jeder Boss überaus kreativ gestaltet und für jeden Levelabschnitt passend in Szene gesetzt wurde.

 

Das, was die Bossgefechte darüber hinaus so spannend macht, sind die beschränkten Möglichkeiten unseres Helden: Alles, was uns als Waffe zur Verfügung steht, ist ein einziger Pfeil. Selbigen können wir sowohl in alle vier Himmelsrichtungen als auch diagonal abschießen. Hat der Pfeil an Schwung verloren oder trifft auf ein Hindernis, fällt er zu Boden. Wir können ihn wieder aufsammeln, indem wir entweder über ihn laufen oder ihn per Knopfdruck wieder zurück in die Hände unseres Helden “saugen“. Dumm nur, dass wir währenddessen stillstehen müssen und es unserem Gegner somit leichter machen, uns zu erwischen. In diesem Fall kann unser Held auf seine zweite Fähigkeit zurückgreifen, nämlich per Knopfdruck eine Rolle auszuführen. Damit gelingt es uns oftmals, gegnerischen Angriffen in letzter Sekunde auszuweichen und den nötigen Abstand zu gewinnen.

 

Der Frustfaktor spielt mit

 

Jeder Titan verfügt über einen spezifischen Schwachpunkt, dementsprechend gilt es diesen zu lokalisieren und einen zielgenauen Schuss auszuführen. Dies liest sich allerdings leichter, als es in Wirklichkeit ist. Bereits eine Berührung unseres Gegners sorgt dafür, dass wir das Zeitliche segnen und von einem in der Nähe liegenden Portal aufs Neue den Weg in die Höhle antreten müssen. Die Dauer der Kämpfe gestaltet sich bei jedem Spieler und bei jedem Kampf anders. So kann es durchaus vorkommen, dass wir mit einem zufällig abgefeuerten Pfeil direkt ins Schwarze treffen und den Boss binnen Sekunden besiegen, während wir uns bei anderen Durchgängen frustriert die Zähne ausbeißen und unzählige Male den virtuellen Bildschirmtod erleben müssen.

 

Bereits in einer der ersten Höhlen wird unsere Zielgenauigkeit deutlich auf die Probe gestellt. Dort lauert ein von einer gallertartigen Membran umschlossenes Herz auf uns, das durch den Raum springt und dabei eine grüne Schleimspur hinterlässt. Laufen wir da mit unserem Helden durch, wird unsere Geschwindigkeit spürbar gedrosselt. Durch einen Treffer mit unserem Pfeil teilt sich die äußere Membran nach und nach in kleinere Teile auf, die ihrerseits nun deutlich schneller umherspringend unsere Verfolgung aufnehmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt gilt es, genauestens abzuwägen, wann wir kurz innehalten, um unseren Pfeil entweder abzufeuern oder aus der Entfernung zu uns zu “rufen“. Ein unachtsamer Moment und wir sind erledigt. Gelingt es uns schließlich, das Herz völlig freizulegen und darin einen Pfeil zu versenken, ist der Boss besiegt und seine Seele unser. Das Einsammeln dieser Seelen ermöglicht es uns, in neue Levelabschnitte vorzudringen, verleiht unserem Helden jedoch keine weiteren Kraftpunkte oder Fähigkeiten.

 

Obwohl das Grundprinzip eines Bosskampfes immer gleich bleibt – der perfekte Schuss entscheidet –, muss jeder Titan mit unterschiedlichen Herangehensweisen bezwungen werden. Dementsprechend gestalten sich die Kämpfe überaus herausfordernd. So müssen wir unser Durchhaltevermögen im weiteren Verlauf des Spiels nicht nur gegen eine gigantische Steinkugel unter Beweis stellen, die in aberwitzigem Tempo auf uns zurollt und dabei den Erdboden in Brand setzt, sondern uns auch gegen einen mechanischen Riesen bewähren, dessen Laserturm uns mit Dauerfeuer unter Beschuss nimmt. Auch ein Yeti, der uns mit Schneemassen bewirft, während gleichzeitig reihenweise Eiszapfen von der Decke auf den Boden einschlagen, macht uns das Leben schwer.

 

Ein Held unter seinen Möglichkeiten

 

Die Kombination aus Retrografikstil und minimalistischem Gameplay macht besonders zu Beginn viel Spaß, da wir ohne lange Erklärungen sofort ins Spiel einsteigen können. Dazu trägt auch die gelungene Musikuntermalung bei, die in den ruhigen Zwischenpassagen mit traumhaften, teils melancholischen Klängen zu gefallen weiß und den einsamen Kampf unseres Helden überzeugend widerspiegelt. Nachdem wir jedoch die wenigen Spielmechaniken verinnerlicht und die ersten Titanen besiegt haben, macht sich die fehlende Spieltiefe negativ bemerkbar. Auf der einen Seite fehlt die emotionale Bindung zu unserem Helden. Wir wissen weder, wer er ist, noch, welche Gründe ihn an diese bedrohlichen Orte führen. Die Schauplätze, denen wir während unserer Reise begegnen, sind auf der anderen Seite liebevoll und individuell gestaltet, bieten aber keinerlei Hinweise auf eine Hintergrundgeschichte. Hier hätten wir zumindest einige kryptische Texttafeln erwartet, die unsere Fantasie weit mehr angeregt hätten, als die leeren Ruinen, an denen wir mit unserem Helden unschlüssig vorüberziehen.

 

Aufgrund des hohen Spieltempos und der Tatsache, dass wir zumeist nach einem Fehler gnadenlos bestraft werden, steigt unserer Adrenalinspiegel während der Kämpfe deutlich an. Dennoch macht sich im späteren Spielverlauf eine gewisse Müdigkeitserscheinung aufgrund des immergleichen Spielprinzips breit. Vor allem dann, wenn wir zig Anläufe für einen einzigen Boss benötigen und die stets identischen Wege zur Bosshöhle in Angriff nehmen müssen.

 

Abschließend sollte noch die dringende Empfehlung der Entwickler erwähnt werden, das Spiel mit Controller zu absolvieren. Und in der Tat hat sich diese im Test als die bessere Alternative herausgestellt, da die Tatstatur für schnelle Reaktionszeiten doch einen Tick zu behäbig ausfällt.


Fazit

Durch seinen Retrocharme und die schöne Musikuntermalung punktet „Titan Souls“ besonders bei den Nostalgikern unter den Rollenspielern. Auch das eingeschränkte Gameplay entfaltet zu Beginn durchaus einen gewissen Reiz, weil es sich eben auf einen bestimmten Aspekt des Rollenspielgenres konzentriert: die Bosskämpfe. Dennoch hätte das Spielerlebnis auf der Basis einer passenden Hintergrundgeschichte deutlich intensiver und emotional fundierter ausfallen können. So bleibt, nachdem alle Titanen besiegt wurden und der Abspann über den Bildschirm flimmert, das Gefühl bestehen, dass die Entwickler von Acid Nerve lediglich an der Oberfläche des Möglichen gekratzt haben. Somit ist „Titan Souls“ kein Titel, der zum längeren Verweilen einlädt, sondern eher als spannendes Abenteuer für zwischendurch funktioniert. (Daniel Kohlstadt)


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Titan Souls

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