Planetary Annihilation (PC)

Im hart umkämpften Markt der Echtzeitstrategiespiele erhalten oft nur besonders erfolgreiche Titel eine Fortsetzung, und auch erst dann, wenn ein finanzkräftiger Publisher die weitere Entwicklung unterstützt. Die "Annihilation"-Reihe bildet eine Ausnahme, denn trotz einer hohen Beliebtheit wurde das erste Spiel "Total Annihilation" nach ein paar Erweiterungen eingestampft. Knapp zehn Jahre später durfte "Supreme Commander" versuchen, als geistiger Nachfolger an den Ruhm vergangener Tage anzuknüpfen. Der aktuellste Titel "Planetary Annihilation" wurde ungewohnterweise über Kickstarter finanziert und verspricht, die Wünsche der Fangemeinde nach sinnvollen Neuerungen zu berücksichtigen, ohne dabei sein ursprüngliches Vorbild von 1997 zu vergessen. Lesen Sie im folgenden Testbericht, ob Uber Entertainment der schwierige Balanceakt zwischen Wiedererkennungswert und Innovation gut gelungen ist.

 

 

Aller Anfang ist schwer

 

"Planetary Annihilation" hat im Gegensatz zu anderen Echtzeitstrategiespielen keine nennenswerte Hintergrundgeschichte. Es geht um das Wesentliche: die Zerstörung des Feindes mit allen Mitteln. Der Einstieg in dieses Spiel ist schwierig gestaltet, weil nur ein Video eine schnelle Einführung in die Bedienung und Organisation der Ressourcen liefert. Ein interaktives Tutorial, in dem alle Möglichkeiten in Ruhe ausprobiert werden können, wäre viel hilfreicher gewesen. Dementsprechend gibt es zu Beginn Frustmomente, wenn die KI einem Neuling im Einzelspielermodus keine Zeit lässt, sich mit der digitalen Spielumgebung vertraut zu machen. Das Erlernen der Kurztastenbefehle, ohne ein Handbuch zu haben, ist ebenfalls eine große Herausforderung.

 

Sobald die steile Lernkurve bezwungen worden ist, macht "Planetary Annihilation" erst richtig Spaß. Die allgemeine Spielweise erinnert an "Königsmord" aus "Age of Empires II". Dabei hat der Spieler zu Beginn eine mächtige Einheit, deren Überleben über Sieg oder Niederlage der Partie entscheidet. Diese Spielfigur – der Commander – hat viele Lebenspunkte und kann einige grundlegende Basiseinrichtungen wie beispielsweise Kraftwerke, Fabriken oder Metallextraktoren errichten. Zusätzlich produziert der riesige Roboter selbst eine geringe Menge der Ressourcen Metall und Energie für den anfänglichen Basisbau. Das Ziel jedes Gefechts ist es, den feindlichen Commander zu zerstören. Der große Unterschied zu anderen Echtzeitstrategietiteln besteht darin, dass die Kontrahenten sich nicht zwingend auf demselben Planeten befinden müssen, denn die Kampfumgebung besteht aus einem Sonnensystem mit mehreren Himmelskörpern. Wenn man Glück hat, dürfen die ersten zehn Spielminuten in einen von Angriffen ungestörten, defensiven Ausbau des eigenen Planetoiden investiert werden, während der Gegner das Gleiche tut.

 

Das Wirtschaftssystem in "Planetary Annihilation" ist absichtlich einfach gehalten, weil der Spieler sich sonst nicht auf die dynamischen Kämpfe mit einer unbegrenzten Anzahl an Einheiten konzentrieren kann. Es gibt nur zwei Ressourcen: Energie und Metall. Der Strom wird von Kraftwerken produziert, während das Eisen aus speziellen Minen abgebaut wird, die nur in einer begrenzten Anzahl pro Planet vorhanden sind. Dementsprechend ist eine frühe Expansion überlebenswichtig, um bei etwaigen Verlusten trotzdem genug Rohstoffe für die Produktion von Einheiten zu haben. Dabei sollte der Spieler unbedingt die Möglichkeit nutzen, auf benachbarte Himmelskörper auszuwandern, denn neben zusätzlichen Rohstoffen erhält er weitere Baufläche für stationäre Kampfanlagen wie zum Beispiel Raketensilos, die jeden beliebigen Punkt im Sonnensystem angreifen können. Als Konstrukteure dienen Roboter, die zuerst in einer grundlegenden Fabrik hergestellt werden müssen. Diese können weitere fortgeschrittene Strukturen bauen, die dem Commander sonst verwehrt bleiben. So erhält man nach und nach Zugang zu den mächtigsten Einheiten sowie Waffen.

 

Je einfacher die Wirtschaft, desto komplizierter sind die Gefechte in "Planetary Annihilation". Der Spieler muss bei seinen Kämpfen unterschiedliche Terrains berücksichtigen, zu denen Land, See, Luft und sogar die Umlaufbahn eines Planeten gehören. Dementsprechend gibt es zahlreiche Vehikel und stationäre Verteidigungsanlagen, die auf dem jeweiligen Gebiet optimal eingesetzt werden wollen. Getreu dem Stein-Schere-Papier-Prinzip gibt es keine übermächtigen Einheiten, die gegen alle Angriffe gefeit sind – mit einer Ausnahme: den Commander. Der riesige Roboter kann sich auf jedem Terrain bewegen, hat so viele Lebenspunkte, dass er einen direkten Treffer mit einer Atomrakete überleben kann, und teilt selbst ordentlich Schaden aus. Nur die Umlaufbahn sowie interplanetares Reisen bleiben dem Oberbefehlshaber verwehrt. Zum Glück gibt es Transporter, die diesen Nachteil umgehen können.

 

"Planetare Zerstörung" (deutsch für "Planetary Annihilation") ist übrigens nicht einfach nur ein schöner Name für dieses Strategiespiel, denn bei Bedarf ist es möglich, einen ganzen Planetoiden in eine Superwaffe zu verwandeln, die andere Himmelskörper samt allen Feinden auf einen Schlag vernichtet. Eine Option besteht darin, einen Mond mit Triebwerken auszustatten und anschließend mit einem gegnerischen Planeten auf Kollisionskurs zu bringen. Je größer das zu verwendende Geschoss, desto mehr teure Triebwerke werden benötigt, um es aus seiner stationären Umlaufbahn zu reißen. Natürlich darf sich der eigene Commander nicht mehr auf dem globalen Killer befinden, wenn er mit einem Feindplaneten zusammenprallt. Alternativ kann ein sogenannter Metallplanet mithilfe von Energiebeschleunigern zu einem Todesstern umgerüstet werden, der ebenso funktioniert wie sein cineastisches Vorbild, mit der Ausnahme des Ventilationsschachtes als Schwachstelle. Sobald eine Superwaffe einsatzbereit ist, hat der Gegenspieler nur geringe Chancen, sie aufzuhalten. Er muss schnellstmöglich ein Triebwerk des anfliegenden Planetoiden oder einen Beschleuniger auf der Metallkugel zerstören, was bei der großen Anzahl an Lebenspunkten der jeweiligen Strukturen viel Feuerkraft benötigt.

 

 

In der Kürze liegt die Würze

 

Bisher enthält "Planetary Annihilation" nur zwei Spielmodi: Scharmützel und galaktischer Krieg. Im erstgenannten Fall erstellt der Spieler einen Server, wählt eine Karte geeigneter Größe für eine bestimmte Anzahl an Spielern aus und definiert die Startbedingungen. Danach darf das Spielfeld je nach Passworteinstellungen entweder nur von Freunden mit bekanntem Schlüsselwort oder bei offenen Bedingungen auch von Fremden betreten werden, wobei die Spieler-Slots alternativ mit KI-Gegnern gefüllt werden können. Für Einzelspieler ist der "Galaktische Krieg" interessant. In diesem Modus erscheint zunächst eine Übersichtskarte mit Sonnensystemen, zwischen denen der Spieler mit seinem Commander reisen darf. Freie Systeme werden dabei gleich annektiert und ein Bonus aufgedeckt, der als Spezialfähigkeit den Oberbefehlshaber verbessert. So kann der Spieler beispielsweise mit einem Marine-Upgrade gleich alle seetauglichen Bauwerke errichten, ohne erst die zugehörige Grundwerft samt Baurobotern zu benötigen. Bei besetzten Systemen kann man sich entscheiden, diese entweder zu erobern oder einfach weiter zu reisen. Da es aber in diesem Modus letztendlich um die Alleinherrschaft geht, ist der Kampf in der Regel die sinnvolle Option.

 

Die Entwickler haben für die Fangemeinde eine Tür offen gelassen, selbst an der weiteren Verbesserung des Titels mithilfe von Modifikationen zu arbeiten, sodass es bald hoffentlich nicht so stark ins Gewicht fällt, dass "Planetary Annihilation" nicht mehr zu bieten hat. Im aktuellen Zustand wird das Spiel jedoch nach einigen Tagen schnell langweilig. Es gibt bis auf die Freischaltung anderer Commander im "Galaktischen Krieg" keine erreichbaren Langzeitziele, und die Mehrspielerpartien sind für Profis später die einzige wahre Herausforderung, weil die KI vorhersehbar agiert und sonst nur über Cheat-ähnliche Produktionsboni eine Chance hat, länger gegen gut organisierte Strategen zu bestehen. Insgesamt bleibt vom Spielinhalt her das Gefühl, dass noch einige Elemente fehlen, auch wenn die auf Kickstarter definierten Ziele erreicht worden sind.

 

 

Bedienung

 

Die Steuerung von "Planetary Annihilation" kann komplett mit der Maus erfolgen, denn es gibt für nahezu jede Aktion einen anklickbaren Button. Jedoch dauert der Prozess ziemlich lange und erfordert mehr Zeit, als man in der Hitze des Gefechts zur Verfügung hat. Viel schneller sind die Kurztastenkombinationen auf der Tastatur, die umständlich im Optionsmenü entdeckt werden müssen. Eine digitale Zusammenfassung aller wichtigen Befehle zum Ausdrucken hätte vor allem Anfängern viel Arbeit und Frust erspart. Wenn ganze Schwärme an Einheiten den Bildschirm ausfüllen, helfen Maus und Tastatur jedoch nicht, den Überblick zu behalten. Dazu muss man zuerst die eigenen Kämpfer möglichst direkt nach der Produktion in Verbände zusammenfassen. Ordnung ist alles, um eine geordnete Angriffsstrategie ausführen zu können.

 

 

Augen und Ohren

 

Die Grafik des aktuellen "Annihilation"-Ablegers weckt ambivalente Gefühle. Einerseits ist man begeistert von der stufenlosen Zoomperspektive, in der von einer einzigen Einheit bis hin zum gesamten Sonnensystem mit sich um die Achse drehenden Planeten in den Umlaufbahnen alles betrachtet werden kann. Tausende von Kampfvehikeln werden glaubwürdig animiert, während die Waffen mit ihrer Feuerkraft für weiteres optisches Feuerwerk sorgen. Die im Gefecht schnellen Wechsel zwischen den Himmelskörpern und Schauplätzen wirken zu Beginn sehr verwirrend. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die Einheitenmodelle sehr rudimentär gestaltet sind. Die Kampfumgebung wirkt ebenfalls ziemlich steril, als ob die Annihilation-Roboter in einem leblosen Universum ihre Gefechte austragen. Die verwendeten schlichten Texturen verstärken den Eindruck, dass nicht alles zum Verkaufstermin fertig geworden ist. Eine nützliche Option ist die Aufzeichnung einer Spielpartie, die es ermöglicht, etwaige Fehler in der Strategie nachträglich analysieren zu können.

 

Soundtechnisch gibt sich "Planetary Annihilation" keine Blöße. Die Hintergrundmusik passt gut zu den futuristischen Kämpfen, und Synchronsprecher werden bei einem Spiel ohne Story sowieso nicht benötigt. Die Waffengeräusche sind vielleicht etwas eintönig, wobei es sich hierbei um Kritik auf hohem Niveau handelt.

 

Offizieller Trailer


Fazit

"Planetary Annihilation" erfüllt hoffentlich die Erwartungen der Kickstarter-Geldgeber, denn alle von Uber Entertainment aufgestellten Ziele wurden erreicht – nicht mehr und nicht weniger. Für einen Vollpreistitel sehe ich jedoch noch viel Entwicklungspotenzial. Die Idee, Gefechte in Echtzeit über Planeten hinweg führen zu können, ist genial umgesetzt worden. Jedoch vermisse ich eine echte Einzelspielerkampagne mit einer Hintergrundgeschichte sowie ein interaktives Tutorial, das den Einstieg in die mehrschichtige Gefechtsführung deutlich erleichtern könnte. Die Grafik wirkt trotz der riesigen Anzahl an animierten Elementen etwas steril. Als Besitzer eines High-End-Computers hätte ich mir gewünscht, schönere Texturen und detailreiche Planeten samt Flora und Fauna zuschalten zu können, auch wenn es in der Hitze des Gefechts unwichtig ist, wie der Boden aussieht, der zerbombt wird. Insgesamt bin ich von diesem Titel trotz der aufgeführten Mängel begeistert und hoffe, dass die Entwickler weiter daran arbeiten, ihn zu verbessern – von mir aus auch mit kostenpflichtigen Download-Inhalten. (Witali Blum)


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