Men of War: Vietnam

Men of War: Vietnam

(Peter Games)

geschrieben von Martin Kretschmer

 

     
 

Der Dschungel ruft zu den Waffen! Wie der Titel der inzwischen dritten Stand-Alone-Erweiterung der "Men of War" Reihe bereits vermuten lässt, wird diesmal der Vietnamkrieg als Schauplatz für die Echtzeit-Strategie genutzt. In zwei Kampagnen mit jeweils fünf durchaus langen Missionen ist das ganze Können des Spielers gefragt – sei es auf nordvietnamesischer oder US-amerikanischer Seite.

Vietnam – mal etwas anders

Die Story spielt im Jahre 1968, Nordvietnam führt bereits seit 4 Jahren Krieg mit Südvietnam. Auf nordvietnamesischer Seite helfen die UdSSR und China, auf südvietnamesischer Seite vor allem die USA, aus; ein sogenannter "Stellvertreterkrieg". Über wenige Kriege wurde so viel geschrieben und so viele Filme produziert, wie über diesen. "Men of War: Vietnam" schafft aber etwas, das nur wenige Filme vermögen: Es beleuchtet beide Seiten.

Die Kampagne der Nordvietnamesen erzählt die Geschichte zweier sowjetischer Militärberater sowie zweier nordvietnamesischer Soldaten, die gleich zu Anfang der Kampagne einen verheerenden Helikopterangriff überleben. Ohne Funk, nur von Fahrzeugwracks umgeben und in der Mitte feindlicher Einheiten müssen sie sich den Weg zurück ins heimatliche Territorium bahnen. Dass dies keine einfache Aufgabe wird, versteht sich hier sicherlich von selbst.

Auf amerikanischer Seite wird die Geschichte einer Spezialeinheit erzählt, welche, auf sich allein gestellt, feindliche Posten infiltrieren und Patrouillen durch feindliches, beziehungsweise vermeintlich freundliches, Gebiet durchführen muss. Dörfer nach Aufständischen durchsuchen gehört hier genauso zum Tagesgeschäft wie das Aufspüren versteckter Waffen. Massenschlachten finden sich hier eher selten – schließlich bevorzugte "Charlie" die Guerillataktik.

Schwer, schwerer, "Men of War: Vietnam"

Das Gameplay macht "Men of War: Vietnam" ohne Frage zu einem der kompliziertesten Spiele, welche bisher den Weg auf meine Festplatte gefunden haben. Die Einstellung des Schwierigkeitsgrades auf "niedrig" ändert daran nicht viel – an "mittel" oder gar "hoch", wage ich gar nicht zu denken. Ein Tutorial bietet das Spiel nicht, gleich die erste Mission konfrontiert den Spieler mit der harten Realität des Krieges. Die eigene Truppe wird durch einen feindlichen Helikopter beinahe gänzlich ausgelöscht. Darauf folgt der Hinweis, der Hubschrauber könnte zurückkehren. Werden die vier Überlebenden nicht schnell genug in Deckung gebracht, endet die Mission bereits nach 15 Sekunden in einem farbenfrohen Fehlschlag aus Blut und Feuer.

Auch im weiteren Verlauf des Spiels wird der Schwierigkeitsgrad hochgehalten: Die eigenen Soldaten sterben schnell, wenn sie unbedacht im Kugelhagel stehen, und gab es erst einmal die ersten Verluste, muss die weitere Mission entsprechend geschwächt absolviert werden. Häufiges Speichern ist bei "Men of War: Vietnam" also Pflicht, und nicht selten gab es Zeiten, in denen das Spiel frustriert beendet wurde, nur um nach einer halben Stunde intensiven Nachdenkens mit einer neuen Taktik im Hinterkopf wieder gestartet zu werden. Häufig von Erfolg gekrönt und mit Glücksgefühlen belohnt. Unfreiwillig trägt leider auch die Steuerung zur Schwierigkeit bei, denn diese ist bestenfalls als "ungewohnt" zu bezeichnen. Neben der Unzahl von Icons auf dem Bildschirm sind die Tasten leider gar nicht so belegt, wie man es von anderen Spielen gewohnt ist. Die Karte lässt sich in der Standardeinstellung nicht mit WASD oder den Pfeiltasten scrollen, sondern nur mit dem Numpad. Die Auswahl der Einheiten gestaltet sich etwas holperig und es ist oft schwierig, die passende Aktion schnell genug auszuführen, um zum Beispiel einen überfliegenden Helikopter mit einer RPG zu beschießen.

Es offenbaren sich nicht zuletzt auch einige Schwächen der KI; manchmal wünschte man sich von den eigenen Recken doch ein wenig mehr Selbsterhaltungstrieb – oder den Gegnern etwas weniger davon, je nachdem. Immerhin kann man die eigenen Männer beim Überleben unterstützen, denn Deckung gibt es im Dschungel reichlich. Fährt der Mauszeiger über ein Objekt, das als solche genutzt werden kann, so erscheinen graue Schemen der Soldaten um das Objekt herum und kennzeichnen die Position, die die Truppe in der Deckung einnehmen wird. Sicher hinter schützenden Steinen, Bäumen, umgefallenen LKW, Panzern, abgestürzten Hubschraubern, Hauswänden oder notfalls auch einfach in einem Gebüsch versteckt, nimmt die Truppe deutlich weniger Schaden unter Beschuss. Dies ist ein zentraler Aspekt des Überlebens, frei nach dem Motto "ein Gegner, der mich nicht sieht, kann mir nicht wehtun".

"Men of War: Vietnam" ist jedoch nicht nur schwierig, sondern auch sehr komplex: Jeder Soldat trägt sein eigenes Inventar mit sich herum, in dem sich Waffen, Munition, Granaten verschiedenster Art sowie Verbandspäckchen und vielerlei mehr ansammeln. Getötete Feinde und Ausrüstungskisten laden zum Auffüllen der, im Verlaufe der Mission knapper werdenden, Vorräte ein und ab und an müssen auch besondere Missionsgegenstände transportiert werden. Insgesamt hält sich das Mikromanagement jedoch in Grenzen und stört den eigentlichen Spielablauf nicht.

Eine weitere Möglichkeit etwas mehr Einfluss auf den Spielverlauf zu nehmen bietet die direkte Steuerung eines einzelnen Soldaten. Gebrauch davon gemacht wurde bei diesem Test allerdings nur selten, denn oft bot sich in der Schlacht schlichtweg keine Möglichkeit, dieses Feature sinnvoll einzusetzen.

Der Mehrspielermodus ist schnell zusammengefasst: Die Einzelspielermissionen können mit bis zu vier Spielern im Internet oder über LAN kooperativ gespielt werden, wobei jeder Spieler einen Teil der Einheiten übernimmt. Dies ermöglicht vor allem neue Taktiken, die als einzelner Spieler zu komplex in der Ausführung gewesen wären.

Grün und Braun

Oder "wie mache ich einen Dschungel". Doch was so trist und eintönig klingt entpuppt sich als ein für dieses Genre atemberaubendes Grafikspektakel. Warum für dieses Genre? - Natürlich kann die Grafik, gerade in den Bereichen Texturen und Polygonzahlen, nicht mit einem aktuellen Ego-Shooter mithalten, doch im direkten Vergleich zu anderen Vertretern der Echtzeit-Strategie wird hier viel für das Auge geboten. Grüne Landschaften, Palmen, die sanft im Wind schaukeln oder hart vom Artilleriefeuer umher geschüttelt werden, dichtes Gebüsch und flimmernde Schattenspiele auf dem Boden, all das erwartet den Spieler. Insbesondere in den Nachtmissionen kommen herrliche Beleuchtungseffekte hinzu, die eine ganz besondere Stimmung erzeugen und ein tiefes Abtauchen in das Spiel ermöglichen.

Physikalisch ist beinahe alles in irgendeiner Form beeinflussbar: Kugeln peitschen durch Büsche und Geäst, Fässer werden durch Granatexplosionen davon geschleudert und Helikopter hinterlassen mit ihren Raketen Löcher in Hauswänden, sofern das Haus nach dem Beschuss überhaupt noch steht. Apropos Explosionen: Gerade hier wird der Spieler optisch nicht enttäuscht, denn es wird reichlich Feuer, Rauch und Schrapnell geliefert. Als kleiner Wermutstropfen seien jedoch die Zwischensequenzen genannt, die die Story nicht so recht vorantreiben wollen und generell etwas enttäuschen.

Von Panflöten über E-Gitarren

Musikalisch liefert "Men of War: Vietnam" alles, was der erfahrene Vietnam-Film-Schauer erwartet. Auch an der Qualität haben die Entwickler nicht gegeizt: Während in den ruhigeren Phasen der Missionen vor allem sanfte fernöstliche Klänge vorherrschen, schaltet die Musik in den Kämpfen in eine härtere Gangart. Rock & Roll, wie sollte es für den Vietnamkrieg anders sein, bietet die passende Untermalung für Feuergefechte. Hierbei erinnern einige Stücke an die Musik von Hans Zimmer ("Hummel Gets The Rockets" aus dem Soundtrack von "The Rock") oder auch "Kashmir" von "Led Zeppelin" und selbst von Iron Maiden meine ich einige bekannte Riffs gehört zu haben. Alles in allem ist die Musik sehr passend, allerdings, insbesondere in Bezug auf die Länge der Missionen, leider auch etwas eintönig.

Anders sieht es leider teilweise mit den Synchronstimmen aus; diese wirken manchmal etwas hölzern und klingen auch ab und an unfreiwillig komisch. Die Soundeffekte können leider nicht ganz mit der Hintergrundmusik mithalten, was aber eher an der sehr guten Musik und nicht etwa an schlechten Soundeffekten liegt. Die Vielzahl der Waffen klingt einigermaßen authentisch, die Fahrzeuge gut und die Hintergrundgeräusche passabel.

... doch der Sound ist geil! Nein, zum Glück trifft dieser, zugegeben nicht ganz politisch korrekte, Spruch auf dieses Spiel nicht zu. Wie auch immer man ein Kriegsspiel ethisch bewerten mag, technisch ist "Men of War: Vietnam" sehr gut umgesetzt, mit stimmiger, bisweilen sogar brillanter Grafik, schöner musikalischer Hinterlegung und einem Schwierigkeitsgrad, der den Spieler nie vergessen lässt, dass Krieg tatsächlich die Hölle ist. Selten hat in einem Spiel ein kleiner Fehler so dramatische Auswirkungen gehabt, aber genauso selten haben mich Fehlschläge so sehr motiviert, eine andere Taktik zu entwerfen oder eine bessere Ausführung derselben Taktik anzustreben. Das Erfolgserlebnis, wenn dann nach vielen fruchtlosen Versuchen die Mission bezwungen oder auch nur das nächste Missionsziel erreicht war, war dafür umso größer.

"Men of War: Vietnam" ist, wie seine Vorgänger, sicherlich kein Strategiespiel für Anfänger oder für Spieler mit geringer Frusttoleranz. Erfahrene Strategen finden hier aber eine Perle unter den Strategiespielen, die an eine Mischung aus der "Commandos"-Reihe und "Jagged Alliance" in Echtzeit erinnert. Der einzige Kritikpunkt für erfahrene Strategen mag sein, dass nach zehn Missionen bereits der Abspann läuft – doch dann sucht euch 1-3 Freunde und spielt die Missionen im Mehrspielermodus!

(16.11.2011)

Windows XP SP1

Intel Pentium 4 2,6GHz oder AMD Athlon 64 3000+

1 GB RAM

3 GB Festplattenspeicher

GeForce 6600 oder Radeon 9600 mit 128 MB RAM

DirectX 9.0c kompatible Soundkarte

 


Fazit

: Krieg ist die Hölle ...


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